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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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und ernährte sich dabei nur von Wacholderbeeren. Viele Kranke, Lahme und Blinde waren zu ihr gekommen, und sie hatte sie alle geheilt. Nun war sie in ein besseres Leben eingetreten. Ehrfürchtig bekreuzigte sich die Menge und betete darum, dass Sankta Thekla sie im Himmel nicht vergessen möge.
    Die Geschichte einer Krähe, die bis vor kurzem auf dem Marktplatz neben der Kirche des Apostels Jakob gelebt hatte, fesselte die Zuhörer. Anscheinend hatte das Tier zum Erstaunen aller perfekt Latein gesprochen und dadurch Neugierige von nah und fern angezogen. Doch dann war es von einem Schuhmacher erschlagen worden, der in Zorn geraten war, weil es ständig seinen Stand verunreinigt hatte. Die anderen Händler hatten den Schuhmacher verprügelt und der Krähe ein aufwendiges Begräbnis finanziert.
    An solch grobem Unfug delektierte sich die ungebildete Menge. Es verschlug ihnen vor Entsetzen den stinkendenAtem, oder sie brachen in schallendes Gelächter aus – der städtische Pöbel in all seiner Widerwärtigkeit.
    In einer anderen Ecke stand ein religiöser Verrückter auf einer Holzkiste vor einer kleinen, aber intensiv lauschenden Zuhörerschar. Athenais blieb stehen und erfuhr, dass diesem Mann das geheime Buch des Propheten Elchasai offenbart worden war. Er war dem Sohn Gottes in der Wüste begegnet, dieser war sechsundneunzig Meilen hoch, seine Fußabdrücke vier Meilen lang. Es begleitete ihn seine heilige Schwester, die ebenso groß war. Er empfahl den Gebrauch von Staub und Krötenblut zur Behandlung von Hautkrankheiten und eine vierzig Tage lang wiederholte Taufe, um Auszehrung zu heilen.
    Athenais dachte an das wunderschöne Athen, an Pindars von violetten Wolken umgebene Zitadelle, und sie sah vor sich, wie es von diesen großen, pulsierenden, fanatischen Städten des Ostens ersetzt würde; wie die Religion Athens, die Religion des Verstandes und der öffentlichen Auseinandersetzung, durch seltsame Kulte und Gottesdienste, durch undurchschaubare Mysterien beiseitegeschoben wurde. Private Ekstasen in kleinen dunklen Kapellen voller Weihrauchdüsternis.
    Sie ging weiter durch das benachbarte Theodosius-Forum, am Amastrium, am riesigen Aquädukt des Valens und schließlich an der Kirche der heiligen Apostel vorbei. Nach einer Weile verließ sie die Mese und tauchte in die dunkleren Gassen der Stadt ein. In nördlicher Richtung kam sie zu einer kleinen, schummrigen Säulenreihe, die großspurig «Portikus der Linsenhändler» genannt wurde, und dann zu einer noch schmuddeligeren namens «Portikus der Schreiber und Buchhändler». Hier wurden anzügliche Erzählungen niederster Machart verkauft, die man Romane nannte,jene schäbigste und plebejischste Literaturgattung, über die keine Muse wacht und die sich nie und nimmer allgemeiner Wertschätzung erfreuen wird. Flüchtig warf sie einen Blick auf die schmierigen Buchdeckel, in die, anstelle der eleganten Buchrollen, ganz plump Seiten eingebunden waren. Ein schmutziger, tintenbekleckster und ärmlich aussehender Buchhändler hielt ihr
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hin, doch sie wandte nur den Blick ab und eilte weiter.
    Von dort aus bahnte sie sich ihren Weg durch die Krugrand-Gasse, dann nach links in die Straße der drei Vögel, sie eilte durch die Straße des zweifelhaften Glücks und beim Zeichen des Melancholischen Elefanten vorbei an Betrunkenen und Männern, die ihr nachpfiffen. Sie lehnte es ab, ein Glas Wein mit ihnen zu trinken, und blieb stattdessen am Brunnen der Vier Fische stehen. Hier wollte sie sich kurz erfrischen.
    Sie fragte sich, was wohl die kleinen Fluchplättchen für schreckliche Verwünschungen bargen, die mit der Oberseite nach unten auf den Boden des Brunnens geschlagen worden waren, sodass nur die bösen Geister sie sehen konnten. Rings um den Brunnen waren eine Menge Sprüche hingeschmiert, die meisten davon schlüpfriger Natur. Sie konnte nicht umhin, einige davon zu lesen: «Amaryillis ist eine Hure»   … «Silvius leckt Schwänze»   … «Ich hab’s mit der Kellnerin im Melancholischen Elefanten getrieben».
    Sie ging in östlicher Richtung weiter, bis sie zum Goldenen Horn kam. Dort betrachtete sie die vor Anker liegenden großen Schiffe, das vom Salz blassgewordene Rot und Blau ihrer eingerollten Segel, die dahintreibenden Möwen und die kleineren Bargen, die Korn, Stoffe und Amphoren zu den Kais brachten. Über allem lagen die unablässigen Flüche

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