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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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wandte sich erstaunt an einen ihrer Leibwächter. «Nun, das Mädchen ist irre! Oder wahrscheinlich betrunken. Schafft sie mir aus dem Weg!»
    «Schaut mich an», sagte Athenais, noch immer in sanftem Tonfall, auch dann noch, als einer der Leibwächter sie beim Arm packte und beiseitezog. «Seht mir in die Augen und prägt Euch mein Gesicht ein!»
    Ohne es zu wollen, sah die große Dame noch einmal zu dem unverschämten Weibsbild hinüber, das auf eine niedere, plebejische Weise hübsch war. Während der anschließenden Messe in der St.-Stephanos-Kirche musste sie verärgert feststellen, dass sie das Gesicht des Mädchens noch immer vor Augen hatte.
     
    Es wurde bereits dunkel, als Athenais zu dem großen Platz vor dem kaiserlichen Palast zurückkehrte. Als sie die Lichter in den großen Fenstern brennen sah, fröstelte sie und schlang die Arme um ihren Körper. In einer Ecke des Platzes sitzend, dachte sie nach. Auf keinen Fall konnte sie vor diesen prächtigenTüren um Einlass betteln. Noch nicht. Noch nicht, obwohl diese Stadt ein Wald voller Wölfe war.
    Dann schlugen die Glocken der großen Kathedrale Mitternacht. Jetzt waren nur noch Huren und Diebe unterwegs, außerdem ein paar
vigiles
, die Wachmänner der Stadt, die sich, in ihre Umhänge gehüllt und auf ihre langen, spitzen Stöcke gestützt, um Kohlenbecken scharten. Sie waren ebenso arm und oft so betrunken wie die Halunken in den Straßen, die sie überwachen sollten. Kein guter Ort für ein auf sich gestelltes Mädchen.
    Schließlich fragte sie einen der Wachposten nach dem Haus, das Metanoia hieß. Nach einer obszönen Aufforderung, die sie ignorierte, wies ihr der Mann brummig den Weg. Nach ein paar Minuten gelangte sie in einer Seitenstraße zu einem niedrigen Gebäude neben einer Kapelle. Zaghaft klopfte sie an die hölzerne Tür. Nach einer Weile wurde ein Riegel beiseitegeschoben, und das Gesicht einer Frau tauchte auf.
    Sie brauchte kein einziges Wort zu sagen.
    Fast im gleichen Augenblick wurde die Tür geöffnet, und sie trat ein.
    Sieben Tage blieb sie dort. Mitten unter den Huren, die sich alle in dem Haus aufhielten, Metanoia heißt so viel wie Buße. Nonnen führten das Haus wortlos und mit unendlicher Güte. Oft stammten diese selbst aus adligen Familien, die ihre Töchter ins Kloster steckten, weil sie die Mitgift sparen wollten.
    Sie aß, schlief und unterhielt sich mit den Prostituierten, jungen wie alten, verhärmten und verschlossenen, aber auch noch lebenslustigen, obschon das Schicksal ihnen in ihrem kurzen Leben bereits übel mitgespielt hatte. Sie waren übersät mit Schrammen, mit Narben von den Schnittwunden Betrunkener,einige trugen noch die blauen Flecken von ihrem letzten Freier, bevor sie sich schließlich hierher geflüchtet hatten. Sie erzählte eine belanglose Geschichte über sich selbst. Die anderen Frauen zögerten nicht lange und berichteten ihre Geschichte, sie machten sich in stammelnden Sätzen Luft, und Athenais’ Augen weiteten sich vor Entsetzen.
    Sie lernte eine Menge in jenen sieben Tagen.
    ***
    Die Dämmerung hatte gerade begonnen, als sie am folgenden Sonntag wieder vor den großen Toren des kaiserlichen Palastes stand. Ein wunderschönes, unbekanntes Mädchen in einer schlichten weißen Stola.
    Unzählige Bedienstete, Eunuchen und Kammerherren stellten sich ihr in den Weg, und zu jedem von ihnen sagte sie: «Der Kaiser erwartet mich.» Wie viel Spott sie erntete, auf wie viel ungläubiges Gelächter, Ungeduld und Gleichgültigkeit sie stieß! Erst nach vielen Stunden wurde sie in ein Vorzimmer eingelassen und aufgefordert zu warten.
    Bald darauf erschien ein Mann in dem Raum, schloss die Tür hinter sich und sah zu ihr hinüber. Ein junger Mann, ehrgeizig und freundlich, der noch eine Menge zu lernen hatte.
    Es schien ihm die Sprache verschlagen zu haben, daher ging sie auf ihn zu.
    «Du wusstest, dass ich zurückkommen würde», sagte sie mit spöttischem Groll. «Hatte ich denn eine Wahl?»
    «Ich   …», begann er. «Ich   …» Zögernd legte er ihre Hand in seine. «Nein, aber ich hoffte, du würdest kommen   …»
    ***
    Der ältliche, von Arthritis geplagte, aber noch immer überaus eifrige Bischof Atticus war angewiesen worden, der jungen Heidin rechtzeitig vor ihrer Taufe und der sich daran anschließenden Hochzeit die Grundlagen des Christentums beizubringen. Der Bischof musste zu seinem Entsetzen feststellen, dass dem Mädchen – klug, beredt und so hübsch wie eine der Teufelinnen, die

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