Der schwarze Krieger
Hand an einem Ast über ihrem Kopf hochziehen. Jeder Krieger hatte an die hundert Pfeile verschossen. Sie besaßen noch einen Vorrat, doch sie waren auch nur Menschen aus Fleisch und Blut. Und die Kutriguren witterten wie Schakale das Blut und die Verletzungen und kamen näher.
Einige taten etwas, was kein Hunnenkrieger je aus freien Stücken tun würde. Sie stiegen ab, ließen sich auf den Boden fallen und robbten die paar Dutzend Meter auf dem Bauch zu dem Dorngestrüpp hinüber. Sie hatten Äxte, Keulen und kurze Speere zwischen die Zähne geklemmt und krochen im Zickzack auf ihren Ellbogen und Knien, als wären sie Eidechsen. Flach zwischen die Felsblöcke geduckt, waren sie schwierig zu treffen. Attilas Männer robbten ebenfalls vorwärts und schossen auf sie, aber das Ziel war klein. Allzu oft prallten ihre Pfeile an den schützenden Felsblöcken ab oder verloren sich im staubigen Dunst.
Einige Männer kamen nah genug heran, um lange Lassos mit Widerhaken auszuwerfen. Es gelang ihnen, Teile des Dorngestrüpps auseinanderzureißen und hindurchzukrabbeln. Die spitzen Stöcke darin mochten wohl Pferde abhalten, nicht aber Menschen, die wie Reptilien auf dem Boden krochen. Dann richteten sie sich auf und kamen hereingerannt,splitternackt und mit Geheul, die Waffen über den Kopf haltend. Wie Attila es vorausgesehen hatte, würden sie von Mann zu Mann kämpfen.
«Aladars Männer», brüllte er in die Runde, «hierher, nach links! Schließt diese Lücke!»
Die Männer hasteten herbei, um die einbrechenden Kutriguren anzugreifen, überall war nur Chaos und Staub.
Als er sah, dass sich die Schlacht ihrem Höhepunkt näherte, warf Chanat den Bogen, auf dem doch die Hoffnungen der Hunnen ruhten, beiseite. Stattdessen zog er sein altes Schwert, dessen schartige Klinge sechs Jahrzehnte unnachgiebiger Kämpfe durchgestanden hatte. Attila warf einen Blick auf ihn und sah, dass sich der alte Krieger voller Stolz reckte und über die Dornenhecke blickte. Er wappnete sich für das bevorstehende Gemetzel. Der König wandte sich ab. Einen Augenblick lang war er außerstande, irgendjemand anzuschauen, weder Chanat noch sonst etwas.
Ein nackter Wilder griff Chanat an und setzte ihm mit einem kurzen Speer zu. Chanat streckte ihm sein Schwert entgegen. Der Wilde wich zurück, er keckerte wie ein Affe und hielt den Speer zur Verteidigung gesenkt. Den Arm zum zweiten Streich erhoben, trat Chanat auf ihn zu. Im letzten Augenblick drehte er sich jedoch auf dem Ballen seines rechten Fußes, machte eine unerwartete halbe Drehung und rammte ihm von hinten aus dieser neuen Position das Schwert in die linke, ungeschützte Seite. Der alte Krieger richtete sich wieder auf, zog die Waffe aus den Rippen des toten Mannes und wandte sich ohne einen weiteren Blick von ihm ab, um weiterzukämpfen.
Orestes hatte es gleich mit zweien auf einmal zu tun. Chanat schaltete einen der beiden aus, hieb ihn zu Boden und schlug ihm den Kopf ab. Der Grieche kämpfte lautlos undgeschmeidig wie eine Katze – vielleicht auch mit demselben Vergnügen.
Aber Chanat war verletzt. Er kämpfte weiter, bei jedem neuen Hieb quoll Blut aus seinem Nacken; er sehnte sich nach Ruhe. Doch Ruhe gab es auf diesem Schlachtfeld erst im Grab. «Nun, so sei es denn», brummte er. Ein weiterer Kutrigure wandte sich ab und wollte das Weite suchen, einer von Aladars Männern schoss ihm einen Pfeil in den Rücken, worauf er tot zu Boden stürzte.
Chanat näherte sich seinem König, voller Staub und Blut, die glänzende Wunde im Nacken. Sein Lederwams hing ihm in Fetzen von der breiten Brust herab.
«Geukchu und Candac», murmelte er und schüttelte den Kopf dabei. «Du hast sie mit den Pferden fortgeschickt. Holen sie Verstärkung?»
«So könnte man das sagen», erwiderte Attila.
«Aber wo bleiben sie? Wenn sie nicht bald auftauchen, ist es zu spät. Wir brauchen ihre Verstärkung jetzt!»
«Sie werden keine neue Kraft mitbringen», sagte Attila. «Im Gegenteil. Sie kommen zurück mit alter Schwäche.»
Chanat blickte finster drein und zischte, dies sei nicht der rechte Moment für Rätsel. «Mit Rätseln gewinnt man keine Schlacht.» Sein König zog nur eine Braue in die Höhe und wandte sich dann zur Seite, um einem Kutriguren, der die löchrige Hecke überwunden hatte und mit gefletschten Zähnen wie ein Vielfraß auf ihn zugerannt kam, sein Schwert tief in den Brustkorb zu rammen.
Hinter den am Boden kriechenden Kutriguren hörten die berittenen Krieger einen
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