Der schwarze Krieger
der eingedellten Nase erteilte nun irgendwo Anweisungen. Der Block der sich gegenseitig behindernden Reiter begann sich zu öffnen, die Krieger lösten sich aus dem Getümmel. Die linke Flanke galoppierte als erste los. Lücken taten sich auf, die Pfeile fielen vom Himmel und blieben im Staub stecken. Immer mehr verfehlten ihr Ziel. Die Reiter sprengten auseinander, bis alle wieder Raum hatten. Sie fielenin neuen Galopp und verteilten sich rasch. Diesmal ritten sie nicht über das tückische Feld aus Steinen auf die Dornenhecke zu, sondern blieben im äußeren Kreis. Wie Sandteufel einen gemeinsamen Kriegsruf ausstoßend, tobten sie um das Dickicht herum, sodass viele Pfeile der achtzig Mann ins Leere gingen. Dann legten die Kutriguren ihre Bogen an und schossen zurück. Ihre Disziplin ließ sehr zu wünschen übrig, und ihre Treffsicherheit nicht viel weniger. Doch es waren so viele, die nun eifrig schossen, dass auch ihre Pfeile zu treffen begannen.
Attila nickte grimmig. Das hatte er erwartet.
Er befahl seinen Männern, in Deckung zu bleiben und flach zu schießen.
In dem allgemeinen Wirrwarr erspähten sie weitere Krieger der Kutriguren, die die letzten Tiere der Dorfherde mit dem Lasso fingen, die Ziegen und die bis aufs Gerippe abgemagerten Kühe. Sie zerrten sie zu Boden und töteten sie. Mit Fackeln zündeten sie die ungeschützten Hütten an, Flammen züngelten in den Himmel.
Die Dorfbewohner scharten sich in dem Verhau aus Holzlatten zusammen und drängten sich vor Entsetzen schweigend aneinander. Die Lippen der alten Priesterin bewegten sich beschwörend, doch niemand verstand, was sie sagte, so laut waren der Schlachtenlärm, die Schreie der Männer, das Wiehern der Pferde und das dumpfe Geräusch der Pfeile, wenn sie auf die Latten über ihrem Kopf trafen.
Nun begannen die galoppierenden Kutriguren, auf das Vieh und die wenigen noch übriggebliebenen Pferde innerhalb des Dorngestrüpps zu schießen. Im Todeskampf der Pferde sahen die Dorfbewohner ihren eigenen Tod vorweggenommen. Es gab keinen Zufluchtsort für sie, nichts, was sie tun konnten. Nun begriffen sie, weshalb Attila befohlenhatte, die meisten Tiere wegzubringen. An einen sicheren Ort, ein grünes, friedliches Tal weit weg, außerhalb der Reichweite von Menschen und ihren todbringenden Pfeilen.
Zwei von Attilas Kriegern fielen hintüber, Pfeile steckten in ihrer Brust. Das Dorngestrüpp war zwar eine gute Barriere, um Pferde abzuhalten, nicht jedoch gegen Pfeile. Doch mehr hatten sie einfach nicht aufbringen können. Die Kutriguren hatten sich allmählich auf die Situation eingestellt, und statt die Pfeile steil in den Himmel zu schießen, zielten sie jetzt direkt auf die Dornen. Ein paar von ihnen wagten sich zwischen die Felsblöcke bis zum Dickicht vor, doch wurden sie von Pfeilen und langen Speeren zu Fall gebracht. Andere stürzten in den Graben, den Attilas Männer murrend ausgehoben hatten – hastig, aber sehr effektiv hatten sie ein Stück Leinwand darübergespannt und mit Sand bestreut –, und endeten auf ähnliche Weise. Die Erde war jedoch zu hart gewesen, um aus dem Graben ein richtig wirksames Verteidigungsmittel zu machen. Er reichte aus, um den Pferden die Beine zu brechen und ein paar Reiter an vorderster Front zu Fall zu bringen, mehr allerdings nicht. Als Attila ihn inspiziert hatte, hatte er gemurmelt: «Nicht mit römischer Kriegskunst zu vergleichen, aber es wird reichen müssen.»
Nun befahl er seinen Männern, sich flach hinzulegen. Genau in diesem Augenblick geriet Yesukai ins Taumeln und drehte sich im Kreis; er hielt die Hand fest auf seinen Oberarm gepresst und brüllte vor Wut: Ein Pfeil war direkt in seinen Arm eingedrungen. Chanat sprang auf und rannte zu ihm. Er missachtete das Verbot aufzustehen, der Impuls, Yesukai zu helfen, war stärker.
Die Krieger lagen flach auf dem Boden und schossen so gut sie konnten durch die Dornenhecke, doch jetzt machtesich ihre zahlenmäßige Unterlegenheit bemerkbar. Plötzlich bäumte sich einer von Attilas Männern auf, ein Pfeil steckte in seinem Kopf. Er wandte sich seitwärts, dann rollten seine Augäpfel nach oben, und er fiel tot in den Staub.
Viele Kutriguren lagen tot auf der anderen Seite des Gestrüpps, doch es folgten immer mehr, die über die Leichen ihrer Kameraden hinwegsetzten. Die Arme der Bogenschützen begannen zu erlahmen, so durchtrainiert sie auch sein mochten. Das Spannen der Sehne kam ihnen mittlerweile vor, als würden sie sich mit nur einer
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