Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
einen Wink von mir ihre Kugeln auf euch herabzusenden.«
»Fatale Lage!« knirschte da die Majestät, freilich nicht so laut, daß die Indianer es hören konnten. »Wenn es so ist, so putzen sie uns von da oben aus weg, ohne daß wir ihnen auch nur einen von unsern Zähnen zeigen können. Es bleibt uns wahrhaftig nichts andres übrig, als durch eine schlaue Verhandlung mit dem Mustang für uns so viel wie möglich herauszuschlagen. Wollen doch einmal hören, was er uns für Bedingungen stellt!«
Und sich wieder nach dem Feuer wendend, rief er laut:
»Deine Leute mögen da oben stehen, so lange sie wollen; wir fürchten uns nicht. Aber ich habe gehört, daß Tokvi-Kava ein tapferer und gerechter Häuptling ist, der niemals Feindschaft hegt gegen Menschen, welche ihn nicht beleidigt oder gar geschädigt haben. Darum bin ich überzeugt, daß du die jetzige Feindseligkeit sofort einstellen wirst, wenn du hörst, wer wir sind, und daß wir in dieser Gegend nichts suchen, sondern sie nur rasch durchreiten wollen. Ich bin also bereit, mit dir zu sprechen.«
»So komm heraus!«
»Der stolze Häuptling der Komantschen kann nicht im Ernste verlangen, daß ich zu ihm gehe. Wir sind nur dreißig Mann, während er, wie er selber sagt, dreihundert Krieger bei sich hat. Ich würde alles auf das Spiel setzen, wenn ich mich von hier entfernte, während er hingegen gar nichts wagt, wenn er zu uns herein in den Estrecho kommt.«
»Ich bin Häuptling und habe es nicht nötig, einem Bleichgesichte nachzulaufen,« antwortete der Mustang stolz.
»
Well!
Aber, wenn du nicht kommst, würde es scheinen, als ob du dich fürchtest, und wir würden annehmen, daß du lange nicht so viel Krieger bei dir hast, wie du sagtest. Wenn du also wirklich ein tapferer und mutiger Mann bist und wirklich unter dem Schutze von sechsmal fünfzig Komantschen stehst, darfst du nicht verlangen, daß ich die wenigen Leute verlasse, welche bei mir sind.«
Tokvi-Kava mußte einsehen, daß der Weiße recht hatte; er war überdies vollständig überzeugt, daß die Weißen sich ganz in seiner Gewalt befanden und ihm nicht das geringste anhaben konnten; darum antwortete er:
»Wie darfst du es wagen, an meinem Mute zu zweifeln! Ich werde dir beweisen, daß ich euch als Hunde betrachte, welche nicht beißen können, weil ihnen die Mäuler zugebunden sind. Aber die Bleichgesichter haben doppelte Zungen, und in ihren Herzen wohnt der Verrat; sie werden sich meiner Person bemächtigen wollen, wenn ich zu ihnen komme.«
»Nein. Bei uns ist der Unterhändler stets unantastbar. Du wirst also bei uns ganz ebenso sicher sein, wie in der Mitte deiner Krieger.«
»Ich kann also zurückkehren, sobald es mir beliebt?«
»Ja.«
»Auch wenn ich nicht mit dir einig werde?«
»Auch dann.«
»Ihr werdet mich nicht festzuhalten suchen?«
»Nein.«
»Spricht du die Wahrheit?«
»Ja. Ich versichere dir, daß ich keine Hintergedanken habe.«
»Wir glauben an den großen Geist, den ihr Gott nennt; was ihr bei ihm schwört, müßt ihr halten. Versprich mir also bei eurem Gott, daß ihr, wenn ich gehen will, mich nicht anrühren werdet!«
»Ich schwöre und verspreche es dir.«
»So werde ich kommen.«
Es dauerte eine kleine Weile, bis das brennende Holz ein wenig beiseite geschoben wurde, so daß zwischen der Flamme und dem Felsen eine Lücke entstand, welche der Häuptling durchsprang. Dann kam er hoch erhobenen Hauptes und stolzen Schrittes zu den Weißen, deren Anführer gegenüber er sich niedersetzte. Majestät wußte, daß nach der Ansicht der Indianer der Sieger das Gespräch zu beginnen habe; darum schwieg er und wartete, bis der Mustang nach längerer Zeit die Verhandlung durch die Frage einleitete:
»Die Bleichgesichter haben eingesehen, daß es von ihnen Wahnsinn wäre, sich gegen uns zu wehren?«
»Nein,« antwortete der Weiße. »Das haben wir noch nicht eingesehen.«
»So seid ihr alle ohne Hirn geboren worden! Kein Mensch kann diese Felsen erklettern, und kein Pferd oder Reiter wird durch die Glut des Feuers kommen. Von da oben sehen zweihundert Augen herab, und hundert Gewehre sind bereit, euch in kurzer Zeit zu vernichten, welche ihr Bleichgesichter eine Minute nennt.«
»
Pshaw!
Diese Gewehre fürchten wir nicht. Es gibt hier im Estrecho überhängende Stellen genug, welche uns Schutz vor euern Kugeln bieten.«
»Wie lange wird dieser Schutz währen!« meinte der Mustang verächtlich. »Es ist gar nicht nötig, daß wir Kugeln an euch verschwenden.
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