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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wir haben draußen Wasser und Wild, so viel wir wollen, ihr aber nicht; wir brauchen also nur zu warten, bis ihr vom Hunger und vom Durste hinausgetrieben werdet.«
    »Das kann lange dauern!«
    »Uff! Je länger es dauert, desto mehr wird unsre Nachsicht schwinden, die wir jetzt noch mit euch haben wollen. Dann dürft ihr auf kein Erbarmen rechnen. Wenn ihr euch aber jetzt ergebt, werdet ihr erfahren, daß noch Gnade in unsern Herzen lebt.«
    »Gnade? Was haben wir verbrochen, daß du von Gnade sprichst? Beweise einem meiner Leute eine einzige, wenn auch noch so kleine That, die er gegen euch begangen hat; dann will ich zugeben, daß du von Gnade reden darfst!«
    »
Pshaw!
Tokvi-Kava, der berühmte Häuptling der Komantschen, hat nichts zu beweisen. Wir haben das Beil des Krieges gegen alle Bleichgesichter ausgegraben und müßten also eigentlich alle, die in unsre Hände fallen, am Marterpfahle sterben lassen. Es ist also ein großes Erbarmen von uns, wenn wir euer Leben nicht verlangen, sondern es euch schenken wollen. Dieses Erbarmen währt aber nur ganz kurze Zeit; es wird verschwunden sein, wenn ich von hier weggegangen und zu meinen Kriegern zurückgekehrt bin. Entschließe dich also schnell! Die Söhne der Komantschen wünschen euer Blut; jetzt werden sie mir gehorchen; sobald sie aber hören, daß meine gütige Rede nicht in eure Ohren gedrungen ist, kann ich sie nicht länger abhalten, euch die Skalpe zu nehmen!«
    Er sagte das in so bestimmtem Tone, daß seine Worte die beabsichtigte Wirkung nicht verfehlten. Majestät sprach, um sich zu vergewissern, die Frage aus:
    »Du verlangst also, daß wir uns euch ergeben, und versprichst, falls wir dies thun, unser Leben zu schonen. Hoffentlich ist mit dem Leben auch unsre Freiheit gemeint?«
    »Wir schenken euch das Leben, und ihr könnt gehen, wohin ihr wollt,« versprach der Häuptling, obgleich er gar nicht daran dachte, dieses Versprechen zu halten.
    »So sag, was du unter der Forderung verstehst, daß wir uns ergeben sollen!«
    »Ihr liefert uns alle eure Waffen ab.«
    »Die Pferde etwa auch?«
    »Nein. Die Krieger der Komantschen sind so reich an guten Pferden, daß sie die schlechten, die ihr habt, mit Verachtung von sich weisen.«
    »Und unser übriges Eigentum?«
    »
Pshaw!
Alles, was ihr besitzet, ist für uns so wertlos wie die dürren Grashalme, welche der Wind von dannen trägt. Wir wollen eure Waffen, weiter nichts!«
    »Aber dann können wir nicht jagen, um uns zu erhalten, und sind ganz wehrlos gegen Feinde, falls uns solche begegnen!«
    »Ihr behaltet ja eure Pferde, und das nächste Fort der Bleichgesichter liegt nicht weit von hier. Ihr könnt es schnell erreichen und dann dort alles, was ihr braucht, bekommen. Jetzt habe ich alles gesagt, was ich zu sagen hatte, um euch das Leben zu erhalten. Ich darf meine Krieger nicht länger warten lassen und werde mich entfernen. Sag also schnell, was du beschlossen hast und zu thun gedenkst!«
    Er stand auf und wendete sich ab, als ob er gehen wolle. Das machte die erfahrene und sonst so bedachtsame Majestät ängstlich und die andern Weißen ebenso. Der Mustang wurde aufgefordert, noch einige Augenblicke zu bleiben; der Anführer sammelte die Stimmen seiner Leute, und es ergab sich, daß sie alle ohne Ausnahme in ihrer gegenwärtigen Lage es für geraten hielten, ihr Leben und ihre Freiheit höher anzuschlagen, als den Besitz ihrer Gewehre, welche sie allerdings, wie der Häuptling gesagt hatte, schon im nächsten Fort durch andre ersetzen konnten. Sie glaubten seinen Versicherungen und dachten gar nicht daran, daß er auch nur den Gedanken hegen könne, sie ihrer Waffen nur zu berauben, um sie dann ganz ohne Gefahr hinmorden zu können. Als ihm ihr Entschluß mitgeteilt wurde, blitzte es in seinen Augen auf; er sagte aber in freundlichem Tone:
    »Die Bleichgesichter haben sehr klug gewählt; sie mögen ihre Gewehre, Pistolen, Revolver und Messer samt dem Pulver und den Patronen dort in der Nähe des Feuers niederlegen. Wenn wir dann das Feuer kleiner gemacht und diese Sachen geholt haben, werden wir fortreiten, und ihr könnt bleiben oder auch fortgehen, ganz wie es euch gefällt.«
    Er war überzeugt, nun gewonnenes Spiel zu haben und triumphierte in seinem Innern. Ebenso überzeugt waren die Weißen, das Beste erwählt zu haben, und sie wären unbedingt und rettungslos verloren gewesen, wenn nicht grade jetzt etwas passiert wäre, wodurch der hinterlistige Plan des Komantschen zu schanden gemacht

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