Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
oder Winnetou auf sich zu ziehen.«
»
Pshaw!
Jeder Mensch hat seinen Wert. Darf ich Euren Namen hören?«
»Mein Name ist Euch jedenfalls ganz unbekannt; er kommt mir selbst so selten zu Ohren, daß ich ihn beinahe vergessen habe. Man pflegt mich nur Majestät zu nennen.«
»Ah, Majestät! Wenn Ihr das seid, so habe ich von Euch gehört. Ihr sollt ein ganz sattelfester und fährtengerechter Westmann sein, und so wundert es mich um so mehr, daß Ihr Euch von dem Mustang und seinem Enkel so ahnungslos habt hinter das Licht führen lassen.«
»Von seinem Enkel?«
»Ja.«
»Kenne ich gar nicht!«
»Ihr kennt ihn nur zu gut. Der Mestize, der Euch hierhergeführt hat, ist der Sohn eines Weißen, dessen Squaw die Tochter des Mustang war.«
»
Heavens!
Da beginne ich allerdings die Sache zu begreifen. Aber, Sir, woher wißt Ihr, daß uns dieser Halunke hierhergeführt hat?«
»Seine Fährte und Eure Spuren haben es mir gesagt. Ihr seid von ihm und dem Häuptlinge an Eurem Lagerplatze belauscht worden.«
»Wirklich? Ist es so, ist es so! Und wir dummen Menschen haben das nicht bemerkt! Wir waren eben dabei, den Komantschen unsre Waffen auszuliefern.«
»Die Waffen? Welch großartige Thorheit von Euch!«
»Gar keine Thorheit von uns, Sir! Wir waren dazu gezwungen, wenn wir unser Leben retten wollten.«
»Euer Leben dadurch retten? Wieso?«
»Wir sollten eigentlich getötet werden; aber der Häuptling versprach uns gegen Auslieferung der Waffen nicht nur das Leben, sondern auch die Freiheit.«
»Und das habt Ihr ihm geglaubt?«
»Natürlich!«
»Natürlich, sagt Ihr? Hört, die Sache ist nicht so ganz natürlich, wie Ihr anzunehmen scheint. Er hat nicht die Absicht gehabt, sein Versprechen zu erfüllen, sondern Euch nur waffenlos machen wollen, um Euch dann in aller Gemächlichkeit töten zu können.«
»
Tempestad!
Das glaubt Ihr?«
»Ich glaube es nicht nur, sondern ich bin überzeugt davon. Mir scheint, daß Ihr die Hauptsache gar nicht wißt. Wie viel Komantschen glaubt Ihr wohl, hier gegen Euch zu haben?«
»Dreihundert.«
»Es sind nur hundert, und diesen haben wir die Waffen, die Pferde und die Medizinen abgenommen. Infolgedessen wurden sie aus dem Stamme gestoßen und ziehen nun herum, sich Waffen und Skalpe zu holen. Beides wollten sie Euch nehmen und Eure Pferde dazu. Diese hundert Mann haben kaum ein halbes Dutzend Flinten und Messer bei sich; Pferde haben sie gar nur zwei.«
»Alle Teufel! Da hätten wir sie ja in Grund und Boden schießen können!«
»Allerdings. Das könnt Ihr übrigens noch thun.«
»Das dürfen wir nicht. Wir haben Frieden versprochen und ferner, daß wir den Häuptling nicht anrühren werden.«
»
Pshaw!
Haltet Euer Wort; ich will nichts dagegen haben, obgleich er Euch das seinige gewiß nicht gehalten hätte. Aber ich habe ihm nichts versprochen und darf ihn also anrühren; ich habe das auch schon zur Genüge gethan, wie Ihr seht. Er wird bald wieder zum Bewußtsein kommen, darum wollen wir ihn jetzt fesseln, damit er dann keine Dummheiten machen kann.«
»Was werdet Ihr nachher mit ihm thun, Sir?«
»Hm! Mir speziell hat er jetzt nichts gethan, und auch Euch ist noch nichts geschehen; sein Leben gehört also weder Euch noch mir; wir müssen ihn also laufen lassen; aber ohne ein Andenken sollte das nicht geschehen.«
»
Well!
Er soll eines bekommen, an das er denken wird; nur werden wir ihn vorher ins Gebet nehmen. Ein Verhör muß nach dem Gesetze der Savanne auf alle Fälle stattfinden. Aber, Mister Shatterhand, ich bin noch immer nicht aus dem Staunen heraus, Euch hier zu sehen. Wie seid Ihr denn hierhergekommen?«
»Auf die einfachste Weise von der Welt. Wie wir mit dem Mustang zusammengetroffen sind, werdet Ihr noch erfahren; daß wir den Komantschen dabei die Waffen, die Pferde und die Skalpe abgenommen haben, wißt Ihr schon. Sie hatten erfahren, daß wir nach Santa Fé wollten; darum stand zu erwarten, daß sie uns auf diesem Weg auflauern würden, um sich zu rächen; mithin schauten wir fleißig nach ihrer Fährte aus.«
»Die konntet Ihr doch nicht sehen!«
»Warum nicht?«
»Weil sie nicht vor, sondern hinter Euch waren, denn Ihr hattet Pferde, sie aber besaßen keine mehr.«
»Ihr rechnet falsch. Grade weil sie keine Pferde hatten, konnten sie direkt über die Berge wandern, während wir zu Umwegen gezwungen waren; so kamen sie uns voraus. Wir fanden ihre Spuren an einem Wasser, wo sie einen Bisonstier, zwei Kühe und zwei Kälber erlegt hatten,
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