Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
Isa hörten diese Worte und griffen nach ihren Habseligkeiten, um zu fliehen. Vielleicht war es ihnen noch möglich, das steile Ufer zu erklimmen; die am Seile hängenden Amhara mochten immerhin ertrinken. Da aber brüllte einer von diesen, so daß seine Stimme diejenige des herantosenden Wassers übertönte:
»Müssen wir ertrinken, dann sollen sie das auch! Haltet sie fest, haltet sie fest!«
Augenblicklich wurden die Isa von den Amhara wie von einer undurchdringlichen Kette umschlossen. Jeder Sklave packte einen seiner Peiniger. Diese letzteren gebrauchten zwar ihre Waffen, aber es war zu spät. Eine hohe, dunkle, tosende Masse schoß heran, ergriff Freund und Feind, hob sie empor und riß sie mit sich fort.
Von den andern unbeachtet war der Amharaknabe zu dem kleinen Isa gesprungen und hatte ihn gefragt:
»Kannst du schwimmen?«
»Nein.«
»So halte dich an mir fest. Du hast den Bruder und mich retten wollen; dafür rette ich dich!«
Der Schellal ging vorüber, und das Wasser floß ruhiger zwischen den Ufern. Der Mond spiegelte sich in der Flut und beleuchtete zwei Knaben, welche dem Flusse folgten, um zu sehen, ob sich jemand gerettet habe – vergebliches Suchen! Der Strom hatte in die Rache der Sklaven gewilligt und sie samt ihren Herren verschlungen. Nur die beiden Knaben waren dem Verderben entgangen. Sie hielten sich umschlungen und der kleine Isa sagte zu dem Amhara:
Die Bestrafung der Sklaven bei den Somals.
»Nun werde ich doch noch dein Abban sein. Wir werden bald Männer meines Stammes treffen, und der beste von ihnen wird dich als Sohn aufnehmen, weil du aus Dankbarkeit mein Leben höher als das deinige geachtet hast.«
Prairiebrand in Texas
Ein ungefähr siebzehnjähriger Knabe reitet, ein hochbeladenes Packpferd neben sich am Zügel führend, über die scheinbar grenzenlose Prairie, die sich über die County Croket, Texas, bis jenseit des Rio Pecos erstreckt. Er hat die zuversichtliche Haltung eines alten, erfahrenen Mannes, und das mit vollem Rechte; wird er doch von allen Stockmen (Schafhirten) respektvoll Señor Federico genannt, und besitzt er doch das Vertrauen seines Vaters, des deutschen Ranchero (Schafzüchters) Urban, so vollständig, daß er von diesem ganz allein nach dem gegen 80 Meilen entfernten Fort Terrel geschickt worden ist, um dort Kaffee, Zucker, Tabak und andre Viktualien einzukaufen. Das hat er auf das trefflichste besorgt, befindet sich jetzt auf dem Heimwege und hofft, den Rancho seines Vaters in einigen Stunden zu erreichen, vorher aber noch auf die Stockmen zu treffen, unter deren Aufsicht die diesem gehörigen Schafherden stehen.
Die Sonne brannte bisher drückend und heiß durch das unbewegte Luftmeer nieder; jetzt aber erhebt sich von Norden her ein leiser Hauch, der die Spitzen des Grases neigt und beugt und bald stärker zu werden verspricht. Federico atmet erleichtert auf und denkt, als jetzt die Pferde ganz von selbst ein rascheres Tempo nehmen, daß dies vor Freude über den kühlenden Luftstrom geschehe. Bald aber wird ihm das Gebahren seines mexikanischen Rassefuchses bedenklich. Das Pferd wendet den Kopf unter furchtsamem Schnauben und Augenfunkeln öfters nach rückwärts, hält dann plötzlich inne, dreht sich um, zieht die Luft durch die weit geöffneten Nüstern ein, wirft sich dann hell aufwiehernd wieder in die vorherige Richtung und rennt, das Packpferd mit sich fortzerrend, im Galopp davon.
Was hat das zu bedeuten? Etwas Gutes jedenfalls nicht. Es muß von Norden her irgend eine Gefahr drohen. Federico mustert im Weiterreiten nach dieser Richtung den Horizont. Noch ist nichts Auffälliges zu bemerken; aber nach wenigen Minuten schon verliert die Linie des Gesichtskreises ihre bisherige Schärfe, und ein grauer Duft, der nach und nach eine dunklere Färbung annimmt, läßt Himmel und Erde ineinander verschwimmen.
»Mein Gott, die Prairie brennt!« ruft der Knabe erschrocken aus. »Unsre Schafe, unsre armen Schafe!«
Um sich selbst hat er keine Angst; ihm ist nur zunächst um die Tiere bange, welche verloren sind und bis auf die Knochen geröstet werden, wenn er sie nicht durch schnelle Flucht zu retten vermag. Er berührt die Flanken seines Pferdes mit den thalergroßen Sporenrädern und fliegt dahin über die Savanne. Auch das kräftige Packpferd weiß, um was es sich handelt, und hält trotz seiner Last mit dem Fuchse gleichen Schritt. Glücklicherweise ist jetzt nicht die trockene Jahreszeit; es hat gestern sogar geregnet und das
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