Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
Gras besitzt Feuchtigkeit genug, den Fortschritt des Brandes so zu hemmen, daß er unmöglich die Schnelligkeit eines Reiters erreichen kann.
Als Federico nach einiger Zeit wieder zurückblickt, bildet der Horizont wieder wie vorher eine scharfe Linie. Dennoch läßt er die Pferde laufen, so schnell sie mögen, und schaut mit scharfem Blicke aus, ob er die Herden nicht bald zu Gesicht bekomme. Nach mehr als einer halben Stunde endlich erblickt er weit vor sich einige unbeweglich bei einander stehende dunkle Punkte. Je mehr er sich ihnen nähert, desto deutlicher erkennt er in ihnen Reiter, welche in sorglosem Gespräche bei einander halten. Neben und hinter ihnen ist die Prairie mit grasenden Schafen bedeckt. Auch er ist gesehen worden. Die Gruppe löst sich auf und er hört den freudigen Ruf erschallen:
»
Mira, nuestro sennor Federico
– schau, unser Señor Friedrich!«
Es sind die Stockmen seines Vaters. Diese Hirten sind gewöhnlich Mexikaner und sprechen lieber spanisch als englisch. Sie wollen ihm entgegenkommen; er aber winkt mit der Hand zurück und ruft dabei:
»
Ea, animo, la praderia quema
– fort, fort, die Prairie brennt!«
Nach einigen Augenblicken hat er sie erreicht. Sie blicken ihn staunend an, und einer meint verwundert:
»
La praderia quema? Esto es la imposibilidad llena
– die Prairie brennt? Das ist die reine Unmöglichkeit!«
»Es ist wahr; ich habe es gesehen,« versichert der Knabe. »Wo ist mein Vater?«
»Heute früh hinunter nach Camp Hudson geritten.«
»So sind wir auf uns allein angewiesen. Schnell fort mit den Schafen, hinüber nach dem Devils-River!«
»In dem sie ersaufen sollen?!«
»Wir treiben sie in den Beaver-Pond, der mit dem Flusse zusammenhängt und so seicht ist, daß das Wasser den Tieren nicht bis an die Nasen geht. Aber rasch, schnell, sonst ist es zu spät!«
Die ganz in Leder gekleideten und mit breitrandigen Sombreros bedeckten Reiter schütteln die Köpfe, bis sie das ängstliche Gebahren des Fuchses bemerken, welcher fort will und nur schnaubend dem haltenden Zügel gehorcht.
»
Valgame Dios
– Gott stehe mir bei!« ruft da der Erfahrenste unter ihnen. »Es scheint doch wahr zu sein. Nehmt dem Señor das Packpferd ab und macht euch an die Carneros (Leithammel)! Mein Pferd wird auch schon unruhig, das hat schon mehrere Brände erlebt.«
Die zwölf Reiter stieben im Nu auseinander, treiben die Böcke durch laute Zurufe an und bearbeiten die Schafe derart mit ihren langen Peitschen, daß die Tausende von Tieren bald in Bewegung kommen. Federico hilft natürlich mit. Die Stockmen jagen hin und her, nach rechts und links, damit die gewaltige Herde zusammenbleibe. So geht es vorwärts unter Locken, Schreien und Peitschenknallen, aber viel, viel zu langsam. Federico mustert sorgenvoll den nördlichen Horizont, an dem jetzt ein breiter Rauchstreifen sichtbar wird. Das Feuer nähert sich schnell. Die Pferde riechen es; sie wollen fort, schneller als die Schafe können, und sind kaum zu bändigen. Aber jetzt bemerken auch die letzteren die Gefahr. Die Carneros stoßen ein ängstliches Blöcken aus und fallen aus dem bisherigen Trab in einen ausgiebigen Galopp; die Masse der Schafe folgt gehorsam hinter ihnen.
Aber das Feuer ist schneller als die Herde, hinter welcher jetzt breite, dicke Rauchschwaden sichtbar werden. Der Himmel verbirgt sich hinter schwarzem Qualm; der sich erhebende Wind bringt einen scharfen, brenzlichen Geruch getragen, und nun sind auch die Flammen zu sehen, welche sich in dem durch die Hitze versengten Grase rasch vorwärts fressen. Reb-und Prairiehühner und wilde Puter fliegen vor der Herde auf; geängstigte Hirsche schießen an ihr vorüber; ganze Familien von Mulehasen rennen dahin, und Scharen wilder Tauben schwirren durch die Luft, der immer höher steigenden Rauchsäule voran.
– »Die Stockmen verdoppeln ihre Anstrengung. Jetzt ist schon das Knistern des Feuers zu hören!« –
Die Stockmen verdoppeln ihre Anstrengung. Jetzt ist das Knistern des Feuers zu hören, und das treibt die Schafe zur größten Eile an; sie gehorchen nicht mehr der Peitsche, sondern sie folgen dem eigenen Erhaltungstriebe, indem sie nicht mehr laufen, sondern sich förmlich vorwärts stürzen. Viele werden erdrückt, andre ermüden und bleiben zurück, eine sichere Beute des Feuers. Bald ist dasselbe so weit herangerückt, daß die Reiter die Hitze desselben durch die Kleider fühlen; in höchstens zehn Minuten ist die Herde verloren und der
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