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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hochstämmigen Euphorbien, Drachenblutbäumen und Wacholderwäldern das Leben gibt. An dieses schließt sich tafelförmig die innere, große Hochebene, eine baumlose Steppe, welche außer der Sommerregenzeit getrost mit der Sahara verglichen werden kann. Die Flüsse des Landes führen meist nur zur Regenzeit Wasser, dennoch ist das Tierleben ein bedeutendes. Der Wasserbock, verschiedene Antilopen-und Gazellenarten treten in starken Rudeln auf; Strauße, Zebras und wilde Esel gibt es in Menge; ebenso sind die Giraffe, der Elefant, das Nilpferd und Rhinoceros zu erwähnen. Der Löwe lichtet im Vereine mit dem Leoparden, der hier eine erstaunliche Größe erreicht, die Herden der Eingeborenen. Ebenso reich ist das Land an kleineren Tieren, so daß es eine Fundgrube für den Zoologen bilden wird, wenn erst die Bewohner sich weniger feindselig gegen Fremde verhalten.
    Der Somali ist keineswegs ein Neger; er steht nach seinem physischen Typus zwischen dem Araber und dem Schwarzen. Sein Bau ist schlank und zierlich, seine Stirn groß, sein Auge schön, die Nase fein und die Lippe zwar aufgeworfen, aber wenig vorspringend. Die Hautfarbe wechselt vom hellen braun bis zum tiefen schwarz. Das krause Haar wird von den Männern teils rasiert, teils kurz, teils lang getragen und in letzterem Falle oft mit Kalk rotblond gebeizt. Die Frauen verhüllen es mit einem Kopftuche; die Mädchen flechten das ihrige in zahlreiche, dünne Zöpfchen.
    Die Tracht der Somal besteht in der Hauptsache aus einem großen Umschlagetuche, einem Gürtel und Sandalen, doch sind auch Jacke, Hose und Fes zuweilen zu sehen. Die Hauptwaffen sind Lanzen, Wurfspeere, Dolchmesser, Bogen und Pfeile nebst runden Schilden, welche aus Giraffen-oder Rhinozeroshaut gefertigt werden.
    Der Somali ist Nomad; er verachtet das Handwerk und hält nur Raub und Krieg für seiner würdig; alle Arbeit fällt den Frauen zu. Er ist mutig, tapfer und freiheitsliebend, aber auch streitsüchtig und hinterlistig und aller Ordnung abgeneigt. Die Blutrache wird bis aufs äußerste getrieben und ist die Ursache, daß die einzelnen Stämme sich untereinander durch ewige Fehden aufreiben. Darum haben die meisten Versuche, das Land zu erforschen, zu einem negativen Resultate geführt, und der französische Reisende Revoil sagt mit Recht: »Das einzige bebaute Feld im Somalilande ist der Totenacker.« Ein andrer Forscher fällt folgendes ebenso wahre Urteil: »Der Somaliknabe erhält im siebenten Jahre einen kleinen Speer, bettelt, borgt und stiehlt, bis er Mann geworden ist, und bettelt, borgt und stiehlt dann weiter bis er stirbt.«
    Unter solchen Umständen ist es selbstverständlich, daß die erwähnte Somalikarawane ein zahlreiches Publikum nach der »Völkerwiese« lockt. Auch ich fand mich täglich ein und wurde dadurch den Mitgliedern so bekannt, daß sie mir beim Nahen schon von weitem ihr »gut Morken!« zuriefen. Da steht in der einen Ecke der aus Bastmatten errichtete Arisch (Hütte), in und bei welchem sich die Frauen und Kinder befinden. In der andern Ecke sitzen an einem kleinen Feuer zwei Tumal (Schmiede) bei der Arbeit. Sie sind als Handwerker verachtet und dürfen nicht an den Waffenspielen teilnehmen. In der dritten Ecke liegen die Kamel-und Pferdesättel; dabei stehen und hocken die Krieger, malerisch in ihre Tücher gehüllt; sie unterhalten sich in ihrer Muttersprache, welche der äthiopischen Gruppe des hamitischen Stammes angehört. Auf dem freien Raume tummeln sich edle Pferde, leichtfüßige Reitkamele, kleine Schafe mit Hängeohren und hörnerlose Ziegen herum; zwischen ihnen stolzieren großäugige, gar nicht scheue Strauße in ruppigem Federkleide. Da ertönt ein schriller Pfiff; die Kamele, Strauße, Schafe und Ziegen nehmen Reißaus und drängen sich in der vierten Ecke zusammen; im nächsten Augenblick sind die Pferde gesattelt die Reiter steigen auf und sprengen, nur mit der großen Zehe im Bügel, in rasendem Galopp im Kreise umher. Ein zweiter Pfiff: die Kamele werden gesattelt und bestiegen. Frei und ohne alle Stütze auf ihnen sitzend, jagen die Ostafrikaner mehrere Male über den weiten Plan und zeigen, welche Schnelligkeit ihre langbeinigen Tiere zu entwickeln vermögen.
    Hierauf folgen Waffenspiele. Zunächst wird mit Speeren nach der Scheibe geworfen. Von zehn Spießen bleiben sicher neun im Schwarzen stecken. Dann stellen sich zwei Parteien auf, um mit Messer, Lanze und Schild gegeneinander zu kämpfen. Man erhält den Beweis, daß die Somal

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