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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Grabe,
    Daß uns fast das Herze bricht.«
     
    Ist der Zug an dem schon vorher bereiteten Grabe angekommen, so gruppiert er sich um dasselbe, und der Herr Oberst hält eine den Umständen angepaßte, natürlich hochkomische Rede, wobei der Gaul des Adjutanten sich alle Mühe gibt, seinen Reiter ab-und in die Grube zu werfen, was der letztere mit der größten Anstrengung zu verhüten sucht.
     

    Löffel begraben.
     
    Hierauf wird nach dem Lager zurückgekehrt. Die Reservisten verteilen alle nun für sie überflüssigen Gegenstände unter die zurückbleibenden Kameraden; zur Bestreitung eines möglichst solennen Abschiedstrunks werden die etwa noch vorhandenen Muttergroschen hervorgezogen, welche in der Tasche des schmunzelnden Marketenders verschwinden, und bald erschallt nach der Melodie »Die Wacht am Rhein« ein Abschiedslied der Reservemänner durch die Luft, dessen Refrain beweist, daß sie zwar gern gehen, doch auf den Ruf ihres Kriegsherrn willig wiederkommen werden:
    »Lieb Vaterland, magst ruhig sein; Geht’s los, stell’ ich mich wieder ein!«
     

Sklavenrache
    Es war im August, also während der Sommerregenzeit, als eine kleine Karawane langsam im Halimalathale herabgestiegen kam. Sie bestand aus etwa fünfzig männlichen und weiblichen Amharasklaven und zwanzig bewaffneten Treibern, welche der Sippe der Schibril Abokr-Somal angehörten. Diese letzeren pflegen die Sklaven in Harar abzuholen und bis diesseits des genannten Thales zu bringen, wo ihnen die Isa-Somal die menschliche Ware abnehmen, um dieselbe an die Küste zu transportieren. Die Amhara waren mit Stricken aneinander gefesselt. Ihre Rasse ist eine der heitersten und gewecktesten; diesen ihrer Heimat mit Gewalt entrissenen Leuten aber war das keineswegs anzusehen. Die Isa sind die häßlichsten und grausamsten unter den Somal; die Sklaven schritten also einer Verschlimmerung ihres schon bisher so herben Schicksals entgegen.
    Das Thal mündete auf eine Ebene, auf welcher der Regen einen frischen Graswuchs hervorgelockt hatte. Auch die dastehenden Wababäume, welche das Pfeilgift der Somal liefern, hatten ihre immergrünen Blätter heller gefärbt. Unter ihren Kronen stand ein sonst verlassenes Hüttendorf, von dem eine Isa-Schar Besitz ergriffen hatte, um da die Schibril Abokr mit den Sklaven zu erwarten.
    Als der Zug derselben sich zeigte, rannten sie ihm schreiend und die Waffen schwingend entgegen. Die Begrüßung fand in gewohnter lärmender Weise statt und dann wurden die Amhara nach dem Innern des Dorfes geführt, welches mit hohen, stacheligen Dornzäunen umgeben war. Am Eingange derselben stellte man mehrere Wächter auf.
    Zunächst begann das Feilschen um den Preis der Sklaven. Jeder derselben wurde genau untersucht und dabei vielfach gepeinigt. Als man sich geeinigt hatte, erfolgte die Bezahlung in Tüchern, Schießpulver und allerlei Eisenwaren. – Darauf sollte der unvermeidliche Schmaus folgen, stark mit rotem Pfeffer gewürztes Schöpsenfleisch, welches die Frauen der Isa inzwischen bereitet hatten.
    Ein Isaknabe hatte unter den Gefangenen zwei in seinem Alter stehende Brüder bemerkt, welche sich ermüdet an die hohe, stolze Gestalt ihres Vaters gelehnt hatten. Einer Regung seines Herzens folgend, trat er zu ihnen, legte dem einen die Hand auf den Kopf und sagte laut, so daß alle es hörten:
    »Ich bin dein Abban (Beschützer), und du bist frei.«
    Nach der Sitte des Landes war der junge Amhara nun kein Sklave mehr. Schon erhob der Isaknabe den Arm, um auch den andern von der Knechtschaft zu befreien, da sprang der Anführer der Isa herbei, riß ihn zurück und schrie:
    »Bist du toll? Haben wir diese Hunde bezahlt, um sie nun frei zu geben? Das Wort eines Isa gilt, selbst wenn er ein Kind ist. Dieser Amharabube gehört also nicht mehr zu den Sklaven; aber da wir ihn nicht verkaufen können, wollen wir ihn auch nicht mit uns schleppen!«
    Er zog sein langes, zweischneidiges Messer und stieß es dem Amharaknaben in das Herz. Keiner der Somal erschrak über diesen Mord; solche Blutthaten gehören bei ihnen zu den Alltäglichkeiten; aber die Sklaven schrieen vor Entsetzen auf. Der nicht an den Händen gefesselte Vater des Ermordeten stand einen Augenblick lang wie erstarrt, dann entriß er dem im Bereiche seiner Arme stehenden Mörder das Messer, rannte es ihm in die Brust, durchschnitt dann den Strick, der ihn mit seinen Leidensgenossen verband, und stürzte sich, vor Wut brüllend, mitten unter die Somal, deren er mehrere

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