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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Atemzügen der Kirsch-, Steinhäger- und Korntrinker herum, als wären es aromatische Passatwinde von den Gewürzinseln; Spinnen steigen aus dem Laub des wilden Weins auf ihren Seilen über den Gesichtern auf und ab wie Trapez-Akrobaten, und im Schnurrbart eines Zigeuners turnt ein Käfer, als wäre es ein Bambushain. Da ist es, denke ich, wenigstens im Schlaf, das verlorene Paradies, die große Verbrüderung!
      Ich blicke zu Gerdas Fenster hinauf. Das Fenster steht offen.
      «Hilfe!» sagt plötzlich eine der Gestalten auf dem Boden. Sie sagt es ruhig, leise und resigniert – sie schreit nicht, und gerade das trif mich wie der Ätherschlag eines Strahlenwesens. Es ist ein gewichtsloser Schlag auf die Brust, der durch die Brust geht wie Röntgenlicht, der aber dann den Atem trif, daß er sich staut. Hilfe! denke ich. Was rufen wir anders, hörbar, unhörbar, immerfort?

    Die Messe ist vorbei. Die Oberin übergibt mir mein Honorar. Es
    lohnt sich nicht, es einzustecken; aber ich kann es nicht zurückweisen, das würde sie kränken. «Ich habe Ihnen eine Flasche Wein zum Frühstück geschickt», sagt sie. «Wir haben nichts anderes, um es Ihnen zu geben. Aber wir beten für Sie.»
      «Danke», erwidere ich. «Aber wie kommen Sie an diese ausgezeichneten Weine? Die kosten doch auch Geld.»
      Die Oberin lächelt über ihr zerknittertes Elfenbeingesicht, das die blutlose Haut hat, die Klosterinsassen, Zuchthäusler, Kranke und Bergwerksarbeiter haben. «Wir bekommen sie geschenkt. Es gibt einen frommen Weinhändler in der Stadt. Seine Frau war lange hier. Er schickt uns seitdem jedes Jahr ein paar Kisten.»
      Ich frage nicht, warum er sie schickt. Ich erinnere mich daran, daß der Streiter Gottes, Bodendiek, auch nach der Messe sein Frühstück ißt, und ich gehe rasch los, um noch etwas zu retten.
      Die Flasche ist natürlich schon halb leer. Auch Wernicke ist da; aber er trinkt nur Kaffee. «Die Flasche, aus der Sie sich soeben so freigebig einschenken, Hochwürden», sage ich zu Bodendiek, «ist von der Oberin für mich privat als Gehaltszulage heraufgeschickt worden.»
      «Das weiß ich», erwidert der Vikar. «Aber sind Sie nicht der Apostel der Toleranz, Sie munterer Atheist? Gönnen Sie Ihren Freunden also nur ruhig einen Tropfen. Eine ganze Flasche zum Frühstück wäre für Sie höchst ungesund.»
      Ich antworte nicht. Der Kirchenmann hält das für Schwäche und holt sofort zur Attacke aus. «Was macht die Lebensangst?» fragt er und nimmt einen herzhafen Schluck.
      «Was?»
      «Die Lebensangst, die Ihnen aus allen Knochen dampft, wie –»
      «Wie Ektoplasma», wirf Wernicke hilfreich ein.
      «Wie Schweiß», sagt Bodendiek, der dem Arzt nicht traut.
      «Wenn ich Lebensangst hätte, wäre ich gläubiger Katholik», erkläre ich und ziehe die Flasche an mich.
      «Unsinn! Wenn Sie gläubiger Katholik wären, hätten Sie keine Lebensangst.»
      «Das ist kirchenväterliche Haarspalterei.»
      Bodendiek lacht. «Was wissen denn Sie schon von der exquisiten Geistigkeit unserer Kirchenväter, Sie junger Barbar?»
      «Genug, um aufzuhören bei dem jahrelangen Streit, den die Väter darüber hatten, ob Adam und Eva einen Nabel gehabt hätten oder nicht.»
      Wernicke grinst. Bodendiek macht ein angewidertes Gesicht. «Billigste Unwissenheit und platter Materialismus, traut verbündet wie immer», sagt er in die Richtung von Wernicke und mir.
      «Sie sollten nicht mit der Wissenschaf auf einem so hohen Roß sitzen», erwidere ich. «Was würden Sie machen, wenn Sie einen hochentzündeten Blinddarm hätten, und weit und breit wäre nur ein einziger, erstklassiger, aber atheistischer Arzt zur Hilfe da? Beten oder sich von einem Heiden operieren lassen?»
      «Beides, Sie Anfänger in der Dialektik – es würde dem heidnischen Arzt eine Gelegenheit geben, sich Verdienst vor Gott zu erwerben.»
      «Sie sollten sich überhaupt nicht von einem Arzt behandeln lassen», sage ich. «Wenn es Gottes Wille wäre, so müßten Sie eben sterben, aber nicht versuchen, das zu korrigieren.»
      Bodendiek winkt ab. «Jetzt kommt bald die Sache mit dem freien Willen und der Allmacht Gottes. Findige Untersekundaner glauben damit die gesamte Kirchenlehre zu widerlegen.» Er erhebt sich wohlwollend. Sein Schädel leuchtet von Gesundheit. Wernicke und ich sehen schmächtig gegen diesen Glaubensprotz aus. «Gegesegnete Mahlzeit!» sagt er. «Ich muß noch zu meinen
    anderen

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