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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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sich durch mich von nichts abhalten», erklärt er. «Ich trinke hier nur meinen Kaffee und döse dann ein bißchen, bis es Zeit für mich wird.»
      «Aber das wäre doch! Ein so seltener und lieber Gast!» Heinrich wendet sich mir zu. «Haben wir denn keine frischen Brötchen für Herrn Riesenfeld?»
      «Da müssen Sie die Witwe des Bäckers Niebuhr oder Ihre Mutter fragen», erwidere ich. «Anscheinend wird in der Republik sonntags nicht gebacken. Eine unerhörte Schlamperei! Im
    kaiserlichen Deutschland war das anders.»
      Heinrich schießt mir einen bösen Blick zu. «Wo ist Georg?» fragt er kurz.
      «Ich bin nicht der Hüter Ihres Bruders, Herr Kroll», antworte ich bibelfest und laut, um Georg über die neue Gefahr zu informieren.
      «Nein, aber Sie sind Angestellter meiner Firma! Ich ersuche Sie, entsprechend zu antworten.»
      «Es ist Sonntag. Sonntags bin ich kein Angestellter. Ich bin heute nur freiwillig, aus überschäumender Liebe zu meinem Beruf und aus freundschaflicher Verehrung für den Beherrscher des Odenwälder Granits, so früh heruntergekommen. Unrasiert, wie Sie vielleicht bemerken, Herr Kroll.»
      «Da sehen Sie es», sagt Heinrich bitter zu Riesenfeld. «Dadurch haben wir den Krieg verloren. Durch die Schlamperei der Intellektuellen und durch die Juden.»
      «Und die Radfahrer», ergänzt Riesenfeld.
      «Wieso die Radfahrer?» fragt Heinrich erstaunt.
      «Wieso die Juden?» fragt Riesenfeld zurück.
      Heinrich stutzt. «Ach so», sagt er dann lustlos. «Ein Witz. Ich werde Georg wecken.»
      «Ich würde das nicht tun», erkläre ich laut.
      «Geben Sie mir gefälligst keine Ratschläge!»
      Heinrich nähert sich der Tür. Ich halte ihn nicht ab. Georg müßte taub sein, wenn er inzwischen nicht abgeschlossen hätte. «Lassen Sie ihn schlafen», sagt Riesenfeld. «Ich habe keine Lust auf große Unterhaltungen so früh.»
      Heinrich hält inne. «Warum machen Sie nicht einen Spaziergang durch Gottes freie Natur mit Herrn Riesenfeld?» frage ich. «Wenn Sie dann zurückkommen, ist der Haushalt aufgewacht, Speck und Eier brodeln in der Pfanne, Brötchen sind extra für Sie gebacken worden, ein Bukett frisch gepflückter Gladiolen ziert die düsteren Paraphernalien des Todes, und Georg ist da, rasiert und nach Kölnisch Wasser dufend.»
      «Gott soll mich schützen», murmelt Riesenfeld. «Ich bleibe hier und schlafe.»
      Ich zucke ratlos die Achseln. Ich kriege ihn nicht aus der Bude. «Meinetwegen», sage ich. «Dann gehe ich inzwischen Gott loben.»
      Riesenfeld gähnt. «Ich wußte nicht, daß die Religion hier in so hohem Ansehen steht. Sie werfen ja mit Gott herum wie mit Kieselsteinen.»
      «Das ist das Elend! Wir sind alle zu intim mit ihm geworden. Gott war immer der Duzbruder aller Kaiser, Generäle und Politiker. Dabei sollten wir uns fürchten, seinen Namen zu nennen. Aber ich gehe nicht beten, nur Orgel spielen. Kommen Sie mit!»
      Riesenfeld winkt ab. Ich kann jetzt nichts weiter mehr tun. Georg muß sich selber helfen. Ich kann nur noch gehen – vielleicht gehen die andern beiden dann auch. Um Heinrich habe ich keine Sorge; Riesenfeld wird ihn schon loswerden.

    Die Stadt ist taufrisch. Ich habe noch über zwei Stunden Zeit bis zur Messe. Langsam gehe ich durch die Straßen. Es ist ein ungewohntes Erlebnis. Der Wind ist milde und so sanf, als wäre der Dollar gestern um zweihundertfünfzigtausend Mark gefallen und nicht gestiegen. Eine Zeitlang starre ich in den friedlichen Fluß; dann in das Schaufenster der Firma Bock und Söhne, die Senf produziert und ihn in Miniaturfäßchen ausstellt.
      Ein Schlag auf die Schulter weckt mich auf. Hinter mir steht mit verquollenen Augen ein langer, dünner Mann. Es ist die Brunnenpest Herbert Scherz. Ich blicke ihn mißvergnügt an. «Guten Morgen oder guten Abend?» frage ich. «Sind Sie vor oder nach dem Schlaf?»
      Herbert stößt geräuschvoll auf. Eine scharfe Wolke treibt mir fast die Tränen in die Augen. «Gut; also noch vor dem Schlaf», sage ich. «Schämen Sie sich nicht? Was war der Grund? Scherz, Ernst, Ironie oder einfache Verzweiflung?»
      «Ein Stifungsfest», sagt Herbert.
      Ich mache ungern Witze mit Namen; aber Herbert tut man damit einen Gefallen. «Scherz beiseite!» sage ich.
      «Stifungsfest», wiederholt Herbert selbstgefällig. «Mein Einstand als neues Mitglied in einem Verein. Mußte den Vorstand freihalten.» Er sieht mich eine Weile an und

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