Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
Vom Netzwerk:
Diese Rasse, ganz aus dem Volke! Sehen Sie nur, wie sie tanzt! Wie ein – ein –»
      «Ein vollschlanker Panther», half ich aus.
      Riesenfeld schielt mich an. «Manchmal verstehen Sie ein biß
    chen von Frauen», knurrt er.
    «Gelernt – von Ihnen!»
      Er prostet mir zu, ahnungslos geschmeichelt. «Ich möchte gern eines von Ihnen wissen», sage ich. «Ich habe das Gefühl, daß Sie zu Hause im Odenwald ein erstklassiger, ruhiger Bürger und Familienvater sind – Sie haben uns ja vorhin die Fotos Ihrer drei Kinder und Ihres rosenumblühten Hauses gezeigt, zu dessen Mauern Sie aus Prinzip kein Stück Granit verwendet haben, was ich, als verkrachter Poet, Ihnen hoch anrechne –, warum verwandeln Sie sich dann draußen in einen solchen König der Nachtklubs?»
      «Um zu Hause mit um so mehr Genuß Bürger und Familienvater zu sein», erwidert Riesenfeld prompt.
      «Das ist ein guter Grund. Aber warum erst der Umweg?»
      Riesenfeld grinst. «Es ist mein Dämon. Die doppelte Natur des Menschen. Nie davon gehört, was?»
      «Ich nicht? Ich bin eines der Musterbeispiele dafür.»
      Riesenfeld lacht beleidigend, ungefähr wie Wernicke morgens. «Sie?»
      «Es gibt so etwas auch auf einer etwas geistigeren Ebene», erkläre ich.
      Riesenfeld nimmt einen Schluck und seufzt. «Wirklichkeit und Phantasie! Die ewige Jagd, der ewige Zwiespalt! Oder –» fügt er, sich wiederfindend, mit Ironie hinzu «– in Ihrem Falle, als dem eines Poeten, natürlich Sehnsucht und Erfüllung, Gott und Fleisch, Kosmos und Lokus –»
      Zum Glück setzen die Trompeten wieder ein. Georg kommt mit Lisa von der Tanzfläche zurück. Lisa ist eine Vision in aprikosenfarbenem Crêpe de Chine. Riesenfeld hat, nachdem er über ihren plebejischen Hintergrund aufgeklärt worden ist, als Sühne verlangt, daß wir alle als seine Gäste mit ihm zur Roten Mühle gehen müssen. Er verbeugt sich jetzt vor Lisa. «Einen Tango, gnädige Frau. Würden Sie –»
      Lisa ist einen Kopf größer als Riesenfeld, und wir erwarten eine interessante Vorstellung. Aber zu unserm Erstaunen erweist sich der Granitkaiser als hervorragender Tangomeister. Er beherrscht nicht nur den argentinischen, sondern auch den brasilianischen und anscheinend auch noch ein paar andere Varianten. Wie ein Kunstschlittschuhläufer pirouettiert er mit der fassungslosen Lisa auf dem Parkett umher. «Wie fühlst du dich?» frage ich Georg. «Nimm es nicht zu schwer. Mammon gegen Gefühl! Ich habe vor ein paar Tagen auch eine Anzahl Lehren darüber bekommen. Sogar von dir, pikanterweise. Wie ist Lisa heute morgen aus deiner Bude entwichen?»
      «Es war schwer. Riesenfeld wollte das Büro als Beobachtungsposten übernehmen. Er wollte ihr Fenster beobachten. Ich dachte, ich könnte ihn verscheuchen, wenn ich ihm enthüllte, wer Lisa ist. Es nützte nichts. Er trug es wie ein Mann. Es gelang mir schließlich, ihn für ein paar Minuten in die Küche zum Kaffee zu schleppen. Das war der Moment für Lisa. Als Riesenfeld wieder ins Büro auf Ausguck ging, lächelte sie huldvoll aus ihrem eigenen Fenster.»
      «In dem Kimono mit den Störchen?»
      «In einem mit Windmühlen.»
      Ich sehe ihn an. Er nickt. «Eingetauscht gegen einen kleinen Hügelstein. Es war notwendig. Immerhin, Riesenfeld, unter Verbeugungen, rief ihr über dis Straße die Einladung für heute abend hinüber.»
      «Das hätte er nicht gewagt, als sie noch ,de la Tour‘ hieß.»
      «Er tat es mit Respekt. Lisa akzeptierte. Sie dachte, es würde uns geschäflich helfen.»
      «Und das glaubst du?»
    «Ja», erwidert Georg fröhlich.
      Riesenfeld und Lisa kommen von der Tanzfläche zurück. Riesenfeld schwitzt. Lisa ist kühl wie eine Klosterlilie. Zu meinem ungeheuren Erstaunen sehe ich plötzlich im Hintergrund der Bar zwischen den Lufballons eine neue Gestalt erscheinen. Es ist Otto Bambuss. Er steht etwas verloren im Gewühl und paßt ungefähr so hierher, wie Bodendiek passen würde. Dann taucht neben ihm der rote Schädel Willys auf, und ich höre von irgendwoher die Kommandostimme Renée de la Tours: «Bodmer, Sie können rühren!»
      Ich erwache. «Otto», sage ich zu Bambuss, «was hat denn dich hierher verschlagen?»
      «Ich», antwortet Willy. «Ich will etwas für die deutsche Literatur tun. Otto muß bald in sein Dorf zurück. Da hat er dann Zeit, Gedichte über die sündige Welt zu drechseln. Vorläufig aber soll er sie noch sehen.»
      Otto lächelt

Weitere Kostenlose Bücher