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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Rolf. Aber du bist auch nicht, was du denkst. Und nun komm, Rolf.»
      Ich sehe sie an. Einen Moment habe ich wieder das Gefühl, als wäre sie nicht krank und verstelle sich nur.
      «Sei nicht langweilig. Warum willst du immer derselbe sein?»
      «Ja, warum?» erwidere ich überrascht. «Du hast recht! Warum will man das? Was ist schon an einem so dringend aufzubewahren? Und wozu nimmt man sich so wichtig?»
      Sie nickt. «Du und der Doktor! Der Wind weht zum Schluß doch über alles. Warum wollt ihr es nicht zugeben?»
      «Der Doktor auch?» frage ich.
      «Ja, der, der sich so nennt. Was der alles von mir will! Dabei weiß er nichts. Nicht einmal, wie Gras aussieht, nachts, wenn man nicht hinsieht.»
      «Wie kann das schon aussehen? Grau wahrscheinlich oder schwarz. Und silbern, wenn der Mond scheint.»
      Isabelle lacht. «Das dachte ich mir! Du weißt es auch nicht. Genau wie der Doktor!»
      «Wie sieht es denn aus?»
      Sie bleibt stehen. Ein Windstoß treibt vorüber mit Bienen und dem Geruch von Blüten. Der gelbe Rock weht wie ein Segel. «Es ist gar nicht da», sagt sie.
      Wir gehen weiter. Eine alte Frau in Anstaltskleidern kommt in der Allee an uns vorüber. Ihr Gesicht ist rot und glänzt von Tränen. Zwei ratlose Angehörige gehen neben ihr her. «Was ist denn da, wenn das Gras nicht da ist?» frage ich.
      «Nichts. Nur wenn man hinsieht, ist es da. Manchmal, wenn man sich sehr schnell umdreht, kann man es noch erwischen.»
      «Was? Daß es nicht da ist?»
      «Nein – aber wie es zurücksaust an seinen Platz – das Gras und alles, was hinter dir ist. Wie Dienstboten, die zum Tanz gegangen sind. Du mußt nur sehr rasch sein beim Umdrehen, dann erwischt du sie noch – sonst sind sie schon da und tun unschuldig, als wären sie nie fortgewesen.»
      «Wer, Isabelle?» frage ich sehr behutsam.
      «Die Dinge. Alles hinter dir. Es wartet doch nur darauf, daß du dich umdrehst, damit es verschwinden kann!»
      Ich überlege mir das einen Augenblick. Das wäre ja, als hätte man dauernd einen Abgrund hinter sich, denke ich.
      «Bin ich auch nicht mehr da, wenn du dich umdrehst?» frage ich.
      «Du auch nicht. Nichts.»
      «Ach so», sage ich etwas bitter. «Für mich bin ich aber immerfort da. Auch wenn ich mich noch so rasch umdrehe.»
      «Du drehst dich nach der falschen Seite um.»
      «Gibt es da auch Seiten?»
      «Für dich schon, Rolf.»
      Ich zucke aufs neue zusammen unter dem verhaßten Namen. «Und für dich? Was ist mit dir?»
      Sie sieht mich an und lächelt abwesend, als kenne sie mich nicht. «Ich? Ich bin doch gar nicht da!»
      «So? Für mich bist du genug da.»
      Ihr Ausdruck verändert sich. Sie erkennt mich wieder.
      «Ist das wahr? Warum sagst du mir das nicht öfer?»
      «Ich sage es dir doch immerfort.»
      «Nicht genug.» Sie lehnt sich an mich. Ich fühle ihren Atem und ihre Brüste unter der dünnen Seide. «Nie genug», sagt sie mit einem Seufzer. «Warum weiß das niemand? Ach, ihr Statuen!»
      Statuen, denke ich. Was bleibt mir denn anders übrig? Ich sehe sie an, sie ist schön und aufregend, ich spüre sie, und jedesmal, wenn ich mit ihr zusammen bin, ist es, als telefonierten tausend Stimmen durch meine Adern, aber dann plötzlich bricht es ab, als hätten alle eine falsche Verbindung, ich finde mich nicht mehr zurecht, und es entsteht nichts als Verwirrung. Man kann eine Irre nicht begehren. Vielleicht kann man es; ich kann es nicht. Es ist, als wollte man eine automatische Puppe begehren. Oder jemand, der hypnotisiert ist. Das aber ändert nichts daran, daß man ihre Nähe nicht doch spürt.
      Die grünen Schatten der Allee öffnen sich, und vor uns liegen die Beete der Tulpen und Narzissen in der vollen Sonne. «Du mußt deinen Hut aufsetzen, Isabelle», sage ich. «Der Doktor will es so.»
      Sie wirf den Hut in die Blüten. «Der Doktor! Was der alles will! Er will mich heiraten, aber sein Herz ist verhungert. Er ist eine Eule, die schwitzt.»
      Ich glaube nicht, daß Eulen schwitzen können. Aber das Bild überzeugt trotzdem. Isabelle tritt wie eine Tänzerin zwischen die Tulpen und kauert sich nieder. «Hörst du die hier?»
      «Natürlich», sage ich erleichtert. «Jeder kann sie hören. Es sind Glocken. In Fis-Dur.»
      «Was ist Fis-Dur?»
      «Eine Tonart. Die süßeste von allen.»
      Sie wirf ihren weiten Rock über die Blüten. «Läuten sie jetzt in

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