Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend
zerknitterter Scheine, die alle glattgestrichen und gebündelt worden sind. Ich hole tief Luf – Vorauszahlung! Das ist lange nicht mehr dagewesen. Ernsthaf zählt sie drei Päckchen Scheine ab. Sie behält fast nichts übrig. «Dreißigtausend. Wollen Sie es nachzählen?»
«Das brauche ich nicht. Es stimmt schon.»
Es muß stimmen. Sie hat es sicher of genug gezählt. «Ich will Ihnen etwas sagen», erkläre ich. «Wir geben Ihnen noch eine Grabeinfassung aus Zement dazu. Das sieht dann sehr ordentlich aus – abgegrenzt.»
Sie sieht mich ängstlich an. «Umsonst», sage ich.
Der Schein eines kleinen, traurigen Lächelns huscht über ihr Gesicht.
«Das ist das erstemal, daß jemand freundlich zu mir ist, seit es passiert ist. Nicht einmal meine Tochter – sie sagt, die Schande –»
Sie wischt sich die Tränen ab. Ich bin sehr verlegen und komme mir vor wie der Schauspieler Gaston Münch als Graf Trast in der «Ehre» von Sudermann im Stadttheater. Um mir zu helfen, gieße ich mir, als sie gegangen ist, einen Schluck Korn ein. Dann erinnere ich mich, daß Georg immer noch nicht von seiner Besprechung mit Riesenfeld auf der Bank zurück ist, und ich werde mißtrauisch gegen mich selbst; vielleicht habe ich das mit der Frau nur getan, um Gott zu bestechen. Eine gute Tat gegen die andere – eine Grabeinfassung und eine Inschrif gegen ein Dreimonatsakzept Riesenfelds und eine fette Ladung Granit. Das frischt mich so auf, daß ich einen zweiten Schnaps trinke. Dann sehe ich draußen am Obelisken die Spuren des Feldwebels Knopf, hole einen Eimer Wasser, um sie wegzuschwemmen, und verfluche ihn laut. Knopf aber schläf in seiner Kammer den Schlaf des Gerechten.
«Nur sechs Wochen», sage ich enttäuscht.
Georg lacht. «Ein Akzept auf sechs Wochen ist nicht zu verachten. Die Bank wollte nicht mehr geben. Wer weiß, wie hoch der Dollar dann schon steht! Dafür hat Riesenfeld versprochen, in vier Wochen wieder vorbeizukommen. Dann können wir einen neuen Abschluß machen.»
«Glaubst du das?»
Georg zuckt die Achseln. «Warum nicht? Vielleicht zieht Lisa ihn wieder her. Er schwärmte auf der Bank noch von ihr wie Petrarca von Laura.»
«Gut, daß er sie nicht bei Tage und aus der Nähe gesehen hat.»
«Das ist bei vielen Dingen gut.» Georg stutzt und sieht mich an. «Wieso bei Lisa? So schlecht sieht sie wahrhafig nicht aus!»
«Sie hat morgens manchmal schon ganze nette Säcke unter den Augen. Und romantisch ist sie bestimmt nicht. Sie ist ein robuster Feger.»
«Romantisch!» Georg grinst verächtlich. «Was heißt das schon!
Es gibt viele Sorten von Romantik. Und Robustheit hat auch ihre Reize!»
Ich sehe ihn scharf an. Sollte er etwa selbst ein Auge auf Lisa geworfen haben? Er ist merkwürdig verschwiegen in seinen persönlichen Angelegenheiten. «Riesenfeld versteht unter Romantik bestimmt ein Abenteuer in der großen Welt», sage ich. «Nicht eine Affäre mit der Frau eines Pferdemetzgers.»
Georg winkt ab. «Was ist der Unterschied? Die große Welt benimmt sich heute of vulgärer als ein Pferdemetzger.»
Georg ist unser Fachmann für die große Welt. Er hält das Berliner Tageblatt und liest es hauptsächlich, um den Nachrichten über Kunst und Gesellschaf zu folgen. Er ist ausgezeichnet informiert. Keine Schauspielerin kann heiraten, ohne daß er es weiß; jede wichtige Scheidung in der Aristokratie ist mit Diamanten in sein Gedächtnis eingeritzt. Er verwechselt nichts, selbst nicht nach drei, vier Ehen; es ist, als führe er Buch darüber. Er kennt alle Teateraufführungen, liest die Kritiken, weiß über die Gesellschaf am Kurfürstendamm Bescheid, und nicht nur das: er verfolgt auch das internationale Leben, die großen Stars und die Königinnen der Gesellschaf – er liest Filmmagazine, und ein Bekannter in England schickt ihm manchmal den «Tatler» und ein paar andere elegante Zeitschrifen. Das verklärt ihn dann für Tage. Er selbst ist nie in Berlin gewesen, und im Ausland nur als Soldat, im Kriege in Frankreich. Er haßt seinen Beruf, aber er mußte ihn nach dem Tode seines Vaters übernehmen; Heinrich war zu einfältig dafür. Die Zeitschrifen und Bilder helfen ihm etwas über die Enttäuschungen hinweg; sie sind seine Schwäche und seine Erholung.
«Eine vulgäre Dame der großen Welt ist etwas für erlesene Kenner», sage ich. «Nicht für Riesenfeld. Dieser gußeiserne Satan hat eine mimosenhafe
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