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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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überhaupt nicht zu kommen brauchen!»
      «So? Sieh mal an! Auch schon Befehle möchtest du geben, was? Ausgehverbot, aber du treibst dich herum! Sonst noch was? Soll ich dir Strümpfe stricken?» Sie lacht gifig.
      «Der Herr trinkt Champagner, für mich aber war Selterswasser und Bier gut genug, oder ein billiger Wein ohne Jahrgang!»
      «Ich habe den Champagner nicht bestellt! Das war Riesenfeld!»
      «Natürlich! Immer unschuldig, du verkrachter Schulmeister! Was stehst du hier noch herum? Ich habe nichts mehr mit dir zu schaffen! Belästige mich nicht weiter!»
      Ich kann vor Wut kaum sprechen. Georg kommt heran und gibt mir meinen Hut. Ernas Schieber erscheint ebenfalls. Beide ziehen ab. «Hast du das gehört?» frage ich Georg.
      «Zum Teil. Wozu streitest du mit einer Frau?»
      «Ich wollte nicht streiten.»
      Georg lacht. Er wird nie ganz betrunken, selbst wenn er Kübel voll herunterschüttet. «Laß dich nie dazu bringen. Du bist immer verloren. Wozu willst du recht haben?»
      «Ja», sage ich. «Wozu? Weil ich ein Sohn deutscher Erde bin, wahrscheinlich. Hast du nie Argumente mit einer Frau?»
      «Natürlich. Das hält mich aber nicht davon ab, anderen gute Ratschläge zu geben.»

    Die kühle Luf wirkt wie ein weicher Hammer auf Riesenfeld. «Duzen wir uns», sagt er zu mir. «Wir sind ja Brüder. Nutznießer des Todes.» Er lacht keckernd wie ein Fuchs. «Ich heiße Alex.»
      «Rolf», erwidere ich. Ich denke nicht daran, meinen ehrlichen Vornamen Ludwig für diese Saufrüderschafen einer Nacht herzugeben. Rolf ist für Alex gut genug.
      «Rolf?» sagt Riesenfeld. «Was für ein blöder Name! Hast du den immer?»
      «Ich habe das Recht, ihn in Schaltjahren und nach dem Dienst zu tragen. Alex ist auch nichts Besonderes.»
      Riesenfeld wankt etwas. «Macht nichts», sagt er großzügig. «Kinder, ich habe mich lange nicht so wohlgefühlt! Gibt es bei euch noch einen Kaffee?»
      «Natürlich», sagt Georg. «Rolf ist ein erstklassiger Kaffee koch.»
      Wir schwanken durch die Schatten der Marienkirche zur Hakenstraße. Vor uns geht storchenhaf ein einsamer Wanderer und biegt in unser Tor ein. Es ist der Feldwebel Knopf, der von seiner Inspektionsreise durch die Kneipen zurückkehrt. Wir erreichen ihn, während er gerade an dem schwarzen Obelisken neben der Tür sein Wasser läßt. «Herr Knopf», sage ich, «das schickt sich nicht!»
      «Sie können rühren», murmelt Knopf, ohne sich umzudrehen.
      «Herr Feldwebel», wiederhole ich. «Das schickt sich nicht! Es ist eine Schweinerei! Warum tun Sie das nicht in Ihrer Wohnung?»
      Er wendet flüchtig den Kopf. «Ich soll in meine gute Stube pissen? Sind Sie verrückt?»
      «Nicht in Ihre gute Stube! Sie haben eine tadellose Toilette zu Hause. Benützen Sie die doch! Sie ist nur ungefähr zehn Meter von hier entfernt.»
      «Quatsch!»
      «Sie beschmutzen das Wahrzeichen unseres Hauses! Außerdem begehen Sie ein Sakrileg. Das hier ist ein Grabstein. Eine heilige Sache.»
      «Das wird erst ein Grabstein auf dem Friedhof», sagt Knopf und stelzt auf seine Haustür zu. «Guten Abend die Herren allerseits.»
      Er macht eine halbe Verbeugung und stößt sich dabei den Schädel am Türpfosten. Brummend verschwindet er.
      «Wer war das?» fragt Riesenfeld mich, während ich nach Kaffee suche.
      «Das Gegenteil von Ihnen. Ein abstrakter Trinker. Trinkt ohne jede Phantasie. Braucht keine Hilfe von außen. Keine Wunschbilder.»
      «Auch was!» Riesenfeld nimmt am Fenster Platz. «Ein Alkoholfaß also. Der Mensch lebt von Träumen. Wissen Sie das noch nicht?»
      «Nein. Dafür bin ich noch zu jung.»
      «Sie sind nicht zu jung. Sie sind nur ein Kriegsprodukt – emotionell unreif und bereits zu erfahren im Morden.»
      «Merci», sage ich. «Wie ist der Kaffee?»
      Die Schwaden klären sich anscheinend. Wir sind schon wieder beim Sie angelangt. «Meinen Sie, daß die Dame drüben schon zu Hause ist?» fragt Riesenfeld Georg.
      «Vermutlich. Es ist ja alles dunkel.»
      «Das kann auch so sein, weil sie noch nicht da ist. Wollen wir nicht ein paar Minuten warten?»
      «Natürlich.»
      «Vielleicht können wir in der Zwischenzeit unsere Geschäfe erledigen», sage ich. «Der Vertrag braucht ja nur noch unterschrieben zu werden. Ich hole inzwischen frischen Kaffee aus der Küche.»
      Ich gehe hinaus und gebe Georg damit Zeit, Riesenfeld zu bearbeiten. So etwas geht

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