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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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sagen.»
      «Der Pastor behauptet, die Todsünde –»
      «Liebe Frau», unterbreche ich sie. «Gott ist viel barmherziger als die Priester, das können Sie mir glauben.»
      Ich weiß jetzt, was sie quält. Es ist nicht sosehr das ungeweihte Grab; es ist der Gedanke, daß ihr Mann als Selbstmörder für alle Ewigkeit in der Hölle brennen muß und daß er vielleicht gerettet werden und mit ein paar hunderttausend Jahren Fegefeuer davonkommen könnte, wenn er auf dem katholischen Friedhof beerdigt würde.
      «Es war wegen des Geldes», sagt sie. «Es war auf der Sparkasse für fünf Jahre mündelsicher angelegt, und er konnte es deshalb nicht abheben. Es war die Mitgif für meine Tochter aus erster Ehe. Er war der Vormund. Als er es dann vor zwei Wochen abholen konnte, war es nichts mehr wert, und der Bräutigam machte die Verlobung rückgängig. Er hatte erwartet, wir hätten Geld für eine gute Aussteuer. Vor zwei Jahren hätte es noch gereicht, aber jetzt ist es nichts mehr wert. Meine Tochter hat nur noch geweint. Das hat er nicht ausgehalten. Er glaubte, es wäre seine Schuld; er hätte besser aufpassen müssen. Aber es war doch mündelsicher festgelegt, wir konnten es nicht abheben. Die Zinsen waren so höher.»
      «Wie hätte er denn besser aufpassen sollen? So etwas passiert heute unzähligen Menschen. Er war doch kein Bankier.»
      «Nein, Buchhalter. Die Nachbarn –»
      «Kümmern Sie sich doch nicht um das, was die Nachbarn sagen. Das ist immer bösartiger Klatsch. Und überlassen Sie alles andere nur Gott.»
      Ich fühle, daß ich nicht sehr überzeugend bin; aber was soll man einer Frau in solchen Umständen schon sagen? Das, was ich wirklich denke, bestimmt nicht.
      Sie trocknet ihre Augen. «Ich sollte Ihnen das gar nicht erzählen. Was geht es Sie an? Verzeihen Sie! Aber manchmal weiß man nicht, wohin –»
      «Das macht nichts», sage ich. «Wir sind das gewöhnt. Es kommen ja nur Leute hierher, die Angehörige verloren haben.»
      «Ja – aber nicht so –»
      «Doch», erkläre ich. «Das passiert in dieser traurigen Zeit viel häufiger, als Sie denken. Sieben allein im letzten Monat. Es sind immer Menschen, die nicht mehr ein noch aus wissen. Anständige Menschen also. Die unanständigen kommen durch.»
      Sie sieht mich an. «Glauben Sie, daß man einen Grabstein setzen darf, wenn er nicht in geweihter Erde liegt?»

  «Wenn Sie die Erlaubnis für ein Grab haben, dürfen Sie es. Ganz bestimmt auf dem städtischen Friedhof. Wenn Sie wollen, können Sie schon einen Stein aussuchen, Sie brauchen ihn nur zu nehmen, wenn alles in Ordnung ist.»
      Sie sieht sich um. Dann zeigt sie auf den drittkleinsten Hügelstein. «Was kostet so einer?»
      Es ist immer dasselbe. Nie fragen die Armen sofort, was der kleinste kostet; es ist, als täten sie es nicht aus einer sonderbaren Höflichkeit vor dem Tode und dem Toten. Sie wollen nicht nach dem billigsten zuerst fragen; ob sie ihn dann später doch nehmen, ist eine andere Sache.
      Ich kann ihr nicht helfen, aber das Stück Stein kostet hunderttausend Mark. Sie öffnet erschrocken die müden Augen. «Das können wir nicht bezahlen. Das ist ja viel mehr, als –»
      Ich kann mir denken, daß es mehr ist als das, was von der Erbschaf übriggeblieben ist. «Nehmen Sie doch den kleinen hier», sage ich. «Oder einfach eine Grabplatte, keinen Stein. Sehen Sie, hier ist eine – sie kostet dreißigtausend Mark und ist sehr schön. Sie wollen doch nur, daß man weiß, wo Ihr Mann liegt, und da ist eine Platte ebensogut wie ein Stein.»
      Sie betrachtet die Sandsteinplatte. «Ja – aber –»
      Sie hat wahrscheinlich kaum Geld für die nächste Miete, aber sie möchte trotzdem nicht das Billigste kaufen – als ob das dem armen Teufel jetzt nicht ganz egal wäre. Hätte sie statt dessen früher mehr Verständnis für ihn gehabt und weniger mit der Tochter gejammert, dann lebte er vielleicht noch. «Wir können die Inschrif vergolden», sage ich. «Das sieht würdig und vornehm aus.»
      «Kostet die Inschrif extra?»
      «Nein. Sie ist im Preis inbegriffen.»
      Es ist nicht wahr. Aber ich kann mir nicht helfen; sie ist so spatzenhaf in ihren schwarzen Kleidern. Wenn sie jetzt einen langen Bibelspruch will, bin ich in der Patsche; den auszuhauen würde mehr als die Platte kosten. Aber sie will nur den Namen und die Zahlen 875–923.
      Sie zieht aus ihrer Tasche einen Haufen einstmals

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