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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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«Wer hat dich, du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben»?
      «Sag mal, Georg», frage ich, als wir in die Hakenstraße einbiegen. «Bist du eigentlich glücklich?»
      Georg Kroll lüfet seinen Hut vor etwas Unsichtbarem in der Nacht. «Eine andere Frage!» sagt er. «Wie lange kann man auf einer Nadelspitze sitzen?»

    XI
    Regen stürzt vom Himmel. Nebel dampfen aus dem Garten dagegen. Der Sommer ist ertrunken, es ist kalt, und der Dollar steht auf hundertzwanzigtausend Mark. Mit mächtigem Krach bricht ein Teil der Dachtraufe nieder, und das Wasser schießt vor unserem Fenster herunter wie ein grauer Glaswall. Ich verkaufe zwei Engel aus Bisquitporzellan und einen Imortellenkranz an eine zarte Frau, deren beide Kinder an Grippe gestorben sind. Nebenan liegt Georg und hustet. Er hat auch die Grippe, aber ich habe ihn mit einer Kanne Glühwein gestärkt. Er hat außerdem ein halbes Dutzend Zeitschrifen um sich herumliegen und benutzt die Gelegenheit, sich über die letzten Ehen, Scheidungen und Skandale der großen Welt in Cannes, Berlin, London und Paris zu informieren. Heinrich Kroll, unverwüstlich in gestreifen Hosen, Radfahrerklammern und einem passend gewählten dunklen Regenmantel, tritt ein. «Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Ihnen einige Bestellungen diktiere?» fragt er mit unübertrefflichem Sarkasmus.
      «Keineswegs. Immer los.»
      Er gibt einige Aufräge an. Es sind kleinere Hügelsteine aus rotem Syenit, eine Marmorplatte, ein paar Grabeinfassungen – der Alltag des Todes, nichts Besonderes. Nachher steht er noch eine Zeitlang unschlüssig herum, wärmt sich am kalten Ofen seinen Hintern, betrachtet eine Anzahl Gesteinsproben, die seit zwanzig Jahren im Büro auf den Regalen liegen, und schießt endlich los: «Wenn einem derartige Schwierigkeiten gemacht werden, ist es kein Wunder, wenn wir bald pleite sind!»
      Ich antworte nicht, um ihn zu ärgern.
      «Pleite, sage ich», erklärt er. «Und ich weiß, was ich sage.»
      «Wirklich?» Ich blicke ihn freundlich an. «Wozu dann die Verteidigung? Jeder glaubt es Ihnen.»
      «Verteidigung? Ich brauche mich nicht zu verteidigen! Aber
    was da in Wüstringen passiert ist –»
    «Hat man die Mörder des Tischlers gefunden?»
      «Mörder? Was geht das uns an? Und wer redet bei so was von Mord? Es war ein Unfall. Der Mann hatte sich das selbst zuzuschreiben! Was ich meine, ist, wie Sie mit dem Vorsteher Döbbeling dort umgegangen sind! Und dann noch der Witwe des Tischlers umsonst einen Grabstein anzubieten!»
      Ich drehe mich zum Fenster und blicke in den Regen. Heinrich Kroll gehört zu den Menschen, die nie einen Zweifel an ihren Anschauungen haben – das macht sie nicht nur langweilig, sondern auch gefährlich. Sie sind die eherne Masse unseres geliebten Vaterlandes, mit der man immer wieder in einen Krieg ziehen kann. Nichts kann sie belehren, sie sind mit den Händen an der Hosennaht geboren, und sie sind stolz darauf, auch so zu sterben. Ich weiß nicht, ob es den Typ in anderen Ländern auch gibt – sicher aber nicht in solchen Mengen.
      Nach einer Weile höre ich wieder, was der kleine Dickkopf redet. Er hat also mit dem Vorsteher eine lange Sitzung gehabt und die Sache bereinigt. Nur seiner Persönlichkeit ist das zu danken. Wir dürfen wieder Grabsteine nach Wüstringen liefern.
      «Was sollen wir jetzt tun?» frage ich. «Sie anbeten?»
      Er wirf mir einen gifigen Blick zu. «Passen Sie auf, daß Sie nicht einmal zu weit gehen!»
      «Wie weit?»
      «Zu weit. Vergessen Sie nicht, daß Sie hier Angestellter sind.»
      «Ich vergesse das dauernd. Sonst müßten Sie mir dreifaches Gehalt zahlen – als Zeichner, Bürochef und Reklamechef. Im übrigen stehen wir nicht im militärischen Verhältnis zueinander, sonst müßten Sie vor mir strammstehen. Und wenn Sie wollen, kann ich ja einmal mit Ihrer Konkurrenz telefonieren – Hollmann und Klotz nehmen mich sofort.»
      Die Tür öffnet sich, und Georg erscheint in einem fuchsroten Pyjama. «Redest du von Wüstringen, Heinrich?»
      «Wovon sonst?»
      «Dann geh in den Keller und schäme dich. In Wüstringen ist ein Mensch getötet worden! Ein Leben ist untergegangen. Eine Welt ist für jemand zerstört worden. Jeder Mord, jeder Totschlag ist der erste Totschlag der Welt. Kain und Abel, immer wieder! Wenn du und deine Genossen das einmal begreifen würden, gäbe es nicht so viel Kriegsgeschrei auf dieser an sich gesegneten

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