Der Schwarze Orden
aus. Er lauschte mehrere Minuten, hörte aber keinen Laut, nicht einmal Vogelgezwitscher. Er brauchte nur ein paar Minuten, um ein Zelt aufzubauen. Dann holte der Soldat in der Uniform des Schweizer Bundesheeres seine Marschverpflegung aus dem Rucksack und begann zu essen.
Nachdem sie zu Ende gegessen hatten – wider Erwarten war das Essen sehr gut gewesen –, zogen sich Butler und Nield in Butlers Zimmer im Erdgeschoß zurück, das nur ein paar Türen von Nields Zimmer entfernt lag.
»Ich muß dir was zeigen. Du warst doch mal Fassadenkletterer, oder nicht?«
»War ich nicht – und das weißt du ganz genau.«
»Dann wirst du eben jetzt einer.«
Butler schloß die Zimmertür auf, sah den Gang hinauf und hinunter, steckte den Schlüssel von innen ins Schloß und betrat das Zimmer, ohne das Licht einzuschalten.
Nield hatte zwar keine Ahnung, was sein Partner vorhatte, folgte ihm aber. Butler schloß die Tür von innen wieder ab und schob den Sicherheitsriegel vor.
»Das Fenster«, flüsterte er dann. »Der Mond ist hell genug. Komm mit. Es stehen keine Möbel im Weg. Du hast doch hoffentlich eine Waffe einstecken.«
»Klar.«
Butler hatte den Vorhang offengelassen, so daß das Mondlicht ins Zimmer fiel.
Nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah Nield, daß es ein sehr geräumiges Zimmer mit einem Doppelbett war. Größer als sein Zimmer.
»Irgend etwas ist komisch an diesem Hotel«, flüsterte Butler.
»Das ist mir auch schon aufgefallen.«
Butler ging ans Fenster, öffnete es leise und spähte nach draußen. Von den Sicherheitsbeamten keine Spur. Das Tor war geschlossen. Butler packte Nield am Arm, damit auch er nach draußen sah. Dann bückte er sich und zog zwei Paar Handschuhe hervor, die er hinter dem Vorhang versteckt hatte, und reichte eines davon Nield, der immer noch keine Ahnung hatte, was das alles sollte.
»Ich habe auch schon bei Tageslicht aus dem Fenster gesehen«, flüsterte Butler. »Du weißt ja, mir entgeht selten etwas.« »Und?«
»Dieses Zimmer befindet sich unter einem der Türme, die wir bei unserer Ankunft gesehen haben. Schau mal, was da ist.«
Butler beugte sich aus dem Fenster und schob ein paar Efeuranken zur Seite, damit Nield das dicke Kabel sehen konnte, das zum Turm hinauflief. Es gab keinen Zweifel, daß es sich dabei um ein Glasfaserkabel handelte.
»Was befindet sich da über uns?« flüsterte Butler.
»Könnte eine moderne Sendestation sein. Aber wofür braucht man so was in einem Hotel?«
»Ich klettere mal hoch, um es mir näher anzusehen. Ich habe den Efeu getestet. Die Ranken sind so dick und fest wie Seile. Unsere Schuhe müssen wir allerdings hierlassen.
Wenn du willst, kann ich dir ein extra Paar Socken leihen. Damit du besseren Halt hast…«
Nachdem er sich ein zweites Paar Socken übergestreift hatte, vergewisserte sich Nield, daß seine Walther sicher in seinem Holster verwahrt war. Er schwang ein Bein aus dem Fenster.
Butler hangelte sich bereits rasch, aber mit der gebotenen Vorsicht die Efeuranken hinauf. Jedesmal bevor er ein Stück höher kletterte, prüfte er, ob der Efeu sein Gewicht aushielt. Nield warf einen Blick nach unten, stellte fest, daß sich nichts rührte, und begann ebenfalls, an der Fassade hochzuklettern.
Das Ganze war an sich nicht viel anders als beim Training in Surrey, wo sie an Seilen an einer Hauswand hochgeklettert waren. Mit einer Ausnahme. Wenn Big Ben nach draußen kam und nach oben sah, gäben sie zweifellos hervorragende Schießscheiben für ihn ab. Und eine solche Gelegenheit ließe er sich bestimmt nicht entgehen.
Als Butler das zweite Stockwerk erreichte, wand er sich an einem dunklen Fenster vorbei, bevor er den Aufstieg fortsetzte. Mit den Socken fanden sie tatsächlich besser Halt. Im dritten Stock mußte Butler noch einmal dasselbe Manöver vollführen. Und dann, kurz bevor er den Turm erreichte, wo hinter einem Fenster Licht brannte, spürte er, wie Nield an seinem Hosenbein zupfte. Er erstarrte, als er nach unten blickte.
Big Ben war nach draußen gekommen und ging die Zufahrt unter ihnen auf und ab.
Vorsichtig drückte sich Butler enger an die Wand und verhielt sich dann vollkommen still. Nield wagte es nicht, seine Walther zu ziehen. Die leiseste Bewegung konnte Big Ben auf sie aufmerksam machen. Nield beobachtete, wie Big Ben wankend zum Tor ging. Offensichtlich war er betrunken. Und tatsächlich blieb er kurz darauf stehen, hob eine Weinflasche, die er die ganze Zeit in der
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