Der Schwarze Orden
unter dem gelben Sonnenschirm Platz und schlug ihre langen Beine übereinander. Sie setzte sich so, daß sie Dumont, der sich in einem ledernen Notizbuch Aufzeichnungen machte, halb zugewandt war.
Rasch erschien ein Kellner an ihrem Tisch. Sie hob kaum merklich ihre rauchige Stimme, als sie bestellte.
»Ach, ich glaube, ich hätte gern einen trockenen Martini.«
Dumont, durch den Klang ihrer Stimme aufmerksam geworden, blickte auf, legte seine Zigarette beiseite. Das trifft sich gut, dachte Simone. Er raucht auch. Beiläufig fing sie mit ihren grünen Augen seinen Blick auf, um dann jedoch wieder wegzusehen. Sie wußte, daß er seit über drei Monaten von seiner Frau getrennt lebte und daß es ihre Schuld gewesen war, weil sie ein Verhältnis mit einem anderen gehabt hatte und nicht diskret genug gewesen war. Sie hatte von Hassan einen ausführlichen Bericht über ihr Opfer bekommen.
Dumont stellte plötzlich fest, daß ihn seine Aufzeichnungen nicht mehr interessierten.
Die Frau am Nebentisch sah auffallend gut aus, und sie trug keinen Ring. An sich war er hergekommen, um zu arbeiten – er mußte in weniger als einer Woche im Kongreßhaus eine Rede halten –, aber er konnte sich nicht mehr konzentrieren.
Nachdem ihr Drink gekommen war, paßte Simone einen Moment ab, in dem alle Kellner unter der gelben Markise vor dem Eingang zur Küche versammelt waren. Sie nahm eine Packung Zigaretten heraus, steckte sich eine in den Mund und wühlte in ihrer Handtasche, als suchte sie nach einem Feuerzeug.
Dumont sprang auf, kam an ihren Tisch und hielt ihr sein goldenes Feuerzeug hin.
Sie blickte auf und sah ihn mit einem dankbaren Lächeln an. Sie hatte perfekte Züge, ein Kinn, das Entschlossenheit verriet.
»Merci, Monsieur.«
Das war ein weiterer Punkt, der von Vorteil für sie war. Sie wußte, er kam aus der französischsprachigen Schweiz. Er begann französisch zu sprechen.
»Ich glaube, um diese Jahreszeit ist der Abend die schönste Tageszeit. Dieses Gefühl von Ruhe und Frieden findet man nur jetzt.«
»Das stimmt. Sie scheinen ein sehr feines Gespür für Stimmungen zu haben. Das haben nicht viele Männer. Ich habe den ganzen Tag am Computer gesessen. Da genieße ich es um so mehr, im Freien zu sitzen und einfach abzuschalten.«
»Tun Sie das am liebsten allein?«
»An sich nicht.«
Sie streifte ihre Zigarette an einem Aschenbecher ab, obwohl es eigentlich noch nicht nötig gewesen wäre. Dumont, der es bemerkte, faßte es als ein Zeichen leichter Unsicherheit auf.
»Dürfte ich Ihnen dann vielleicht Gesellschaft leisten? Ich bin auch allein hier.«
»Sicher, gern. Aber haben Sie nicht gerade etwas in Ihr Notizbuch geschrieben.«
Sie ging es sehr raffiniert an. Nur nichts überstürzen, sagte sie sich. Auch nur für die Andeutung eines Flirts war es noch zu früh. Dumont sagte, er habe genug geschrieben, holte sein Glas und setzte sich zu ihr. Er deutete über die Terrasse auf den Garten des Hotels, der sich zum Zürichsee hinab erstreckte.
»In letzter Zeit ist der Garten wesentlich gepflegter. Es ist noch gar nicht so lange her, als er regelrecht verwahrlost war. Jetzt ist er ein richtiger Park, ein Park von großer Schönheit. Ich komme jeden Abend hierher. Nicht nur, um etwas zu trinken, sondern auch, um zu beobachten, wie die Schatten auf dem Rasen langsam länger werden…«
Pierre Dumont war ein kleiner, rundlicher Mann Mitte fünfzig. Er hatte krauses braunes Haar, ein rosiges Gesicht und eine umgängliche Art. Seit seine Frau ihn verlassen hatte, war er sehr einsam, obwohl ihm nach außen hin nichts davon anzumerken war. Um seine blaugrauen Augen lag immer ein leicht verträumter Zug – seine Gedanken kreisten oft um die verfahrene politische Weltlage und um gangbare Lösungsmöglichkeiten. In den drei Monaten seit der Trennung von seiner Frau hatte er fast jeden Tag bis drei Uhr nachts zu Hause an seinem Schreibtisch gesessen und fieberhaft gearbeitet, um seinen Schmerz über den Verlust zu vergessen. Doch jetzt verspürte er ein starkes Bedürfnis nach weiblicher Gesellschaft.
Im Summer Lodge in Dorset packten Tweed und Newman ihre Koffer, bezahlten die Rechnung und traten mitten in der Nacht die Rückfahrt nach London an. Im Auto saß Tweed lange schweigend da, und Newman hütete sich, ihn aus seinen Gedanken zu reißen.
Ohne ein Wort darüber zu verlieren, sah Newman während der Fahrt immer wieder in den Rückspiegel. Nach einer Weile brach Tweed schließlich das Schweigen. Er
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