Der Schwarze Orden
hatte, ohne daß Newman es gemerkt hatte, in regelmäßigen Abständen einen Blick in den Seitenspiegel geworfen.
»Jemand folgt uns. Schon, seit wir vom Hotel losgefahren sind. Der Wagen ist immer noch hinter uns.«
»Soll ich ihn abhängen?« fragte Newman.
»Auf keinen Fall. Ich habe keine Ahnung, was hier eigentlich gespielt wird. Sollen sie uns ruhig folgen. Vielleicht bekommen wir ja auf diese Weise heraus, wer die Leute sind, die hinter diesen Anschlägen stecken.«
»Glauben Sie, Willie oder Arnos könnten ihre Spürhunde auf uns gehetzt haben?«
»Möglich. Wer weiß?«
Sie vielleicht, dachte Newman. Aber er kannte Tweed. Solange er nicht sicher war, mit wem er es zu tun hatte, ließ er sich nicht in die Karten sehen. Sie waren schon in London, nicht mehr weit von der Park Crescent, als Tweed wieder zu sprechen begann. Trotz der langen Fahrt zeigte er keine Zeichen von Müdigkeit.
»Ich habe vor der Abfahrt im Summer Lodge Monica angerufen. Sie erwartet uns.«
»Arme Monica. Was für Arbeitszeiten!«
»Das würde sie sich um keinen Preis entgehen lassen. Sie merkt, daß es langsam losgeht.« »Wirklich?«
»Ja. Ich muß Paula, Marler und ihre Begleiter davon abhalten, einen Fehler zu machen.«
»Aber danach sollten Sie sich unbedingt schlafen legen. Wir haben einen langen Tag hinter uns.«
»Wer redet hier von Schlafen? Wir haben noch eine lange Nacht vor uns.«
Newman beugte sich über Monica, als sie Tweeds Büro im ersten Stock betraten.
George, der Sicherheitsbeamte am Eingang, hatte sie eingelassen.
»Sie und Monica sind sicher die einzigen, die noch hier sind«, hatte Tweed bemerkt, als sie an George vorbeigekommen waren.
»Von wegen, Sir. Auch Howard ist noch in seinem Büro.«
Tweed hatte aufgestöhnt. Der letzte Mensch, dem er in dieser Nacht begegnen wollte, war der aufgeblasene Direktor des SIS.
Als Newman Monica auf die Wange küßte, blickte sie überrascht auf. Dann sagte sie mit einem schalkhaften Lächeln:
»Was soll ich nun von dieser Begrüßung halten. Werden Sie mich als nächstes etwa noch zum Essen einladen?«
»Das versuche ich doch schon die ganze Zeit, wenn Sie mir nicht jedesmal einen Korb geben würden«, konterte Newman.
Monica, Tweeds langjährige Sekretärin, war eine Frau unbestimmbaren Alters, die ihr graues Haar zu einem strengen Knoten gebunden hatte. Tweed rief ihr von seinem Schreibtisch zu:
»Schaffen Sie mir Marler an den Apparat. Er ist im Sacher in Wien.«
»Langsam müßte ich eigentlich wissen, wo das Sacher ist.«
Da sie die Nummer im Kopf hatte, hatte sie bereits zu wählen begonnen. Während sie wartete, daß sie zu Marlers Zimmer durchgestellt wurde, warnte sie Tweed:
»Denken Sie daran, daß wir ihn wahrscheinlich aus dem Schlaf… Marler? Ja, ich weiß, daß meine Fistelstimme nicht zu verwechseln ist. Einen Augenblick. Da will Sie jemand dringend sprechen.«
»Marler? Gut. Ich bin wieder zurück im Hauptquartier. Was ich jetzt sage, ist ein Befehl. Das gilt auch für die anderen. Sie über nehmen das Kommando. Sie bleiben, wo Sie sind, bis Sie wieder von mir hören. Also auch kein Stadtbummel, um nach schönen Frauen Ausschau zu halten.«
Tweed legte auf und bat Monica, ihn mit Pierre Dumont zu verbinden. Dann überlegte er es sich anders und sagte, er würde die Nummer selbst wählen. Es meldete sich eine Frauenstimme.
»Ja? Wer ist da bitte?«
»Könnte ich bitte Pierre Dumont sprechen?«
»Tut mir leid, aber er ist gerade nicht erreichbar. Wer spricht da bitte?« Die rauchige Stimme hatte einen leichten französischen Akzent.
»Der Milchmann«, knurrte Tweed und knallte den Hörer auf die Gabel.
Er saß mehrere Minuten da und dachte nach. Er wußte, Dumont war von seiner Frau verlassen worden. Es sah ihm nicht ähnlich, woanders Trost zu suchen. Andererseits war er inzwischen schon drei Monate lang solo. Tweed konnte nicht ahnen, daß Dumont gerade duschte und daß die Frau am Telefon Simone Carnot gewesen war.
Tweed saß aufrecht in seinem Drehstuhl und blickte aus dem Fenster. Es war eine helle Mondnacht, und in der Ferne waren die Bäume des Regent’s Park zu sehen.
»Gibt es Probleme?« fragte Newman.
»Ich hoffe nicht. In zwei Tagen hält Pierre Dumont im Kongreßhaus in Zürich eine Rede. Er hat bereits angekündigt, daß er bei dieser Gelegenheit auf die dramatische Zuspitzung der weltpolitischen Lage zu sprechen kommen wird. Man erwartet, daß neben der internationalen Presse und einem ausgesuchten Publikum auch
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