Der Schwarze Orden
die Hotelhalle entfernte.
»Man könnte mich durchaus als Karrierefrau bezeichnen«, knüpfte Karin Berg an den Punkt ihres Gesprächs mit Tweed an, an dem sie unterbrochen worden waren. »Und was ist mit Ihnen? Es ist schon einige Zeit her, daß Ihre Frau mit diesem griechischen Großreeder durchgebrannt ist. Oder haben Sie sich inzwischen scheiden lassen?«
»Nein, habe ich nicht. Ich höre zwar nichts mehr von ihr, aber die Unannehmlichkeiten, die mit einer Scheidung einhergehen, scheinen mir doch eine zu große Zeitverschwendung.« Er lächelte. »Jedenfalls habe ich auch Karriere gemacht, wie Sie vermutlich wissen.«
»Sie sollten sich unbedingt eine kleine Verschnaufpause gönnen. Wenn Sie wollen, lade ich Sie bei Gelegenheit in meine Wohnung zum Essen ein.«
»Ein sehr freundliches Angebot. Aber ich habe Ihnen ein besseres zu machen. Wir nehmen uns ein Taxi ins Ermitage. Das ist ein sehr schönes Restaurant am See, etwas außerhalb Zürichs, in Küsnacht. Wie war’s mit morgen abend neun Uhr? Ich lasse uns einen schönen Tisch reservieren und hole Sie um halb neun hier ab.«
»Sehr gern.«
»Wenn Sie mich dann entschuldigen würden. Ich wollte eigentlich einen Spaziergang machen. Ich habe ein Problem, über das ich in Ruhe nachdenken möchte.«
»Ich kann mich noch gut an diese Angewohnheit von Ihnen erinnern…«
Falls sie scheitert…
Die Warnung, die der Engländer ausgesprochen hatte, als er den Auftrag zur Eliminierung Tweeds erteilt hatte, ging Hassan nicht mehr aus dem Kopf. Es bestand kein Zweifel, wen es den Kopf kosten würde, wenn Karin Bergs Mission erfolglos verliefe. Deshalb beschloß Hassan, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Als Jules Monceau ihn zum zweiten Mal anrief, hatte Hassan sich einen Plan zurechtgelegt. Er erteilte Monceau seine Anweisungen und umklammerte dabei den Hörer so fest, als hinge sein Leben von diesem Anruf ab.
»Ihr Opfer befindet sich in Zürich…«
»Da bin ich gerade«, unterbrach ihn Monceau mit seiner rauhen Stimme.
»Sehr gut! Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, daß der Mann im Hotel Baur au Lac abgestiegen ist. Er muß liquidiert werden. Sein v Name ist Tweed.«
»Tweed!« Monceau konnte seine Freude nicht verbergen. »Tweed, haben Sie gesagt?«
»Ja. Ich gebe Ihnen seine Personenbeschreibung. Wir haben sie in unseren Akten. Sie ist ziemlich vage…«
»Keine Beschreibung nötig. Sofortige Liquidierung?«
»Ja. Das Honorar kann sich sehen lassen.«
»Das mache ich auch ohne Honorar.«
Die Verbindung wurde unterbrochen. Hassan war verwirrt – er konnte die Reaktion des Franzosen nicht verstehen. Er begann an seinen Nägeln zu kauen. Hatte er das Richtige getan? Mit seinem Auftrag an Monceau verstieß er zwar gegen die Anweisungen des Engländers, doch wenn Monceau den Auftrag erfolgreich durchführte, wäre der Engländer sicher zufrieden – egal, wer die Sache erledigte.
Jules Monceau hatte früh am Morgen von einer Zelle im Foyer des kleinen Hotels angerufen, in dem er wohnte. Tweed! Er konnte sein Glück noch gar nicht fassen. Vor mehreren Jahren, vor dem Fall der Berliner Mauer, hatte Monceau den Fehler begangen, sich an der Beschaffung französischer Militärgeheimnisse zu beteiligen und sie an die Russen zu verkaufen.
Es war Tweed gewesen, der ihn in Zusammenarbeit mit der französischen Spionageabwehr gefaßt hatte. Es war Tweed gewesen, der ihn in einer Zelle im Hauptquartier der französischen Spionageabwehr in der Rue des Saussaies verhört hatte – und der ihm ein verhängnisvolles Geständnis entlockt hatte.
In den Jahren, die Monceau im Sante-Gefängnis verbracht hatte, hatte er sich geschworen, Tweed eines Tages umzubringen. Jetzt war ihm die Gelegenheit, sich zu rächen, auf einem silbernen Tablett serviert worden. Es tagte gerade, als er in seinem winzigen Zimmer auf dem Bett saß.
Er wußte, Tweed machte, wenn es sein Terminplan erlaubte, früh morgens immer gern einen Spaziergang. Nach einer halben Stunde stand Monceaus Plan. Er rief von der Zelle im Foyer drei seiner Leute an. Zwei wohnten in einem dubiosen Hotel, nur knapp einen Kilometer von seinem entfernt. Der dritte konnte auf dem Motorrad, das zu kaufen ihm Monceau aufgetragen hatte, ebenfalls in kürzester Zeit in sein Hotel kommen.
Jules Monceau war ein kleiner, korpulenter Mann mit schwarzem, von Pomade glänzendem Haar. Zusammen mit seinem wölfischen Grinsen hatte ihm seine lange Nase den Spitznamen »der Wolf« eingetragen.
Als alle seine Männer in
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