Der Schwarze Orden
sengenden Sonne gingen sie wieder nach drinnen. Selbst Hassan schien unter der drückenden Hitze zu leiden. Er nahm die Brille ab, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Wieder sah Paula in diese kalten, seelenlosen Augen.
»Mein Wagen steht draußen«, sagte er.
»War um nehmen wir ihn dann nicht?«
»Weil Sie woanders hin müssen als ich.«
»Wer soll mich dort hinbringen?«
»Hören Sie eigentlich nie zu fragen auf?« fuhr er sie an.
»Nur äußerst selten.« Sie spürte, sie war auf dem besten Weg, ihn zu zermürben.
»Wohin fahren wir?«
»Zu einem geheimen Treffpunkt.«
»Immer diese Geheimniskrämerei. Warum steigen Sie nicht in Ihren Wagen und lassen mich hier warten.«
»Sie glauben im Ernst, das würde ich tun?«
»Warum nicht? Oder glauben Sie, ich lasse mir die zweihunderttausend Dollar entgehen?«
»Wir müssen uns an die Vorschriften halten.«
»An welche Vorschriften?«
»Tun Sie mir einen Gefallen, und halten Sie endlich die Klappe…«
Während sie gewartet hatten, waren eine Reihe anderer Maschinen gelandet. Eine war die mit Verspätung eingetroffene Maschine aus Zürich. Unter den Passagieren waren auch Harry Butler und sein Partner Pete Nield. Nachdem Nield mit Tweed telefoniert hatte, trugen die beiden nun ihre Rucksäcke umgeschnallt und sahen mit ihren kurzen Hosen und den am Hals offenen Hemden wie typische Touristen aus.
Gerade als sie in den grellen Sonnenschein hinaustreten wollten, packte Butler seinen Partner am Arm. Er deutete nach rechts.
Paula wurde von einem Mann mit Panamahut und Sonnenbrille zu einem Volvo-Kombi geführt. Nield rannte ins Büro des Autoverleihs, erledigte rasch die nötigen Formalitäten und ließ sich von der Frau am Schalter den für sie reservierten Ford zeigen. Inzwischen fuhr der Wagen, in den Paula gestiegen war, weg, und der Mann mit dem Panamahut ging auf einen Alfa Romeo zu.
»Klasse Auto«, bemerkte Nield neidisch, als Butler ihren Leihwagen startete. »Laß dich von diesem Volvo bloß nicht abhängen. Gott sei. Dank war Paula noch hier. Hast du dir auch schon überlegt, warum?«
»Hauptsache, sie war noch da. Ich kann sie noch sehen. Das Land hier ist platt wie ein Billardtisch.«
»Nach Wien fahren sie also nicht«, bemerkte Nield, als sie eine Abzweigung nahmen, die fort von der österreichischen Hauptstadt führte. »Wird wohl eine Fahrt ins Blaue.«
Er konnte in diesem Moment nicht ahnen, wie recht er hatte.
Paula war von Hassan zu dem Volvo gebracht worden. Nachdem sie auf dem Rücksitz Platz genommen hatte, ging er sofort weg, vielleicht aus Angst vor weiteren Fragen.
Der Fahrer hatte mit Hilfe der Zentralverriegelung alle Türen verschlossen, so daß sie auf dem Rücksitz gefangen war. Kurz nachdem sie vom Flughafen losgefahren waren, schoß ein Alfa Romeo an ihnen vorbei. Da Hassan den Hut abgenommen und statt dessen eine zerzauste graue Perücke aufgesetzt hatte, merkte sie nicht, daß der Mann, der am Steuer saß, Hassan war. Es dauerte nicht lange, und der schnelle Sportwagen war nicht mehr zu sehen. Paulas Fahrer war ein gedrungener, muskulöser Mann mit Stiernacken und brutalem Boxergesicht. Er hatte ihr den Koffer abgenommen und neben sich auf den Beifahrersitz gestellt. Vermutlich eine weitere Sicherheitsvorkehrung.
»Wie heißen Sie?« fragte sie nach einer Weile.
»Me Valja.«
»Hört sich so an, als kämen Sie aus dem ehemaligen Jugoslawien.«
»Me Valja.«
»Ist das Ihr Vor- oder Nachname?« fragte sie höflich weiter. »Me Valja. Muß fahren.«
Was Paula als ›Halt die Klappe‹ auslegte. Dieser Mann ließ sich offenbar nicht so leicht aus der Ruhe bringen wie Hassan. Eine Weile sah sie auf die vorbeiziehende Landschaft hinaus. Das wurde rasch langweilig. Alles sah gleich aus. Eine weite Ebene, die sich endlos dahinzog. Auf beiden Seiten der Straße lagen riesige Felder ohne Zäune oder sonstige Abgrenzungen.
Am Sonnenstand konnte sie ablesen, daß sie in südöstlicher Richtung fuhren. Immer weiter weg von Wien. Sie war ziemlich sicher, daß sie im Burgenland waren, Österreichs östlichstem Bundesland, das an die Slowakische Republik und Ungarn grenzte.
Es war eine einsame Gegend mit nur wenigen verlassenen kleinen Dörfern, durch die Valja brauste, ohne vom Gas zu gehen.
»Wohin fahren wir, Valja?« fragte sie nach einer Weile.
»Me Valja.«
Hassan hatte veranlaßt, daß sein eigener Wagen am Flughafen für ihn bereitgestellt wurde. Er wollte im Hauptquartier in der Slowakei sein, bevor
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