Der schwarze Prinz
im Herzen der Schatzkammern. Von den Räumen weiter draußen hörte Svenya die erleichterten Stimmen der Kinder - offenbar war die Gefahr für die Festung abgewendet, und ihre Beschützer brachten die Kinder gerade von hier weg.
»Was hast du vor?«, fragte Hagen.
»Wir nehmen die mächtigsten Artefakte von hier, und ich nutze ihre Magie für die Heilung des Königs«, erklärte sie.
»Das kannst du?«, fragte Hagen überrascht.
»Scheinbar ja«, sagte sie. »Ich kann fremde Magie absorbieren, sie damit zu meiner eigenen machen und sie dann wieder wirkgerichtet transferieren - also in dem Fall zur Heilung. Am besten, wir nehmen direkt den Ring.«
Sie wollte aufstehen, doch der König hielt sie fest. »Kind, es ist zu spät. Vertrau mir, ich werde sterben ... ich sterbe bereits ... und es gibt nichts, was man noch dagegen tun könnte.«
»Nein!«, stieß Hagen hervor. »Das kann nicht sein! Das darf nicht sein! Vater!«
»Es ist gut, wie es ist, mein Sohn«, sagte Alberich mit brüchiger Stimme. »Mein Leben war lang genug, und es ist an euch, unser Volk in die Zukunft zu führen. Ich bin guter Hoffnung, dass ihr zu zweit mehr Weisheit walten lassen werdet als ich und klügere Entscheidungen trefft.«
»Lass es sie wenigstens versuchen, Vater«, flehte Hagen.
Alberich schüttelte den Kopf. »Es ist vorbei, Hagen. Nur zwei Dinge noch, die mir zu sagen bleiben. Zum einen: Schickt meinen Leichnam durch das Tor nach Alfheim.«
»Nach Alfheim?«, begehrte Hagen auf. »Dort...«
»Es ist mein Wunsch, Sohn«, unterbrach Alberich ihn, nahm Svenyas Hand in seine und fuhr fort: »Zum Zweiten: Oegis hat behauptet, dass mit meinem Tod auch dein Fluch stirbt. Das ist nicht wahr ... und ich besitze auch nicht mehr die Macht, ihn aufzuheben ... aber selbst wenn ich es noch könnte, würde ich es nicht tun ... weil... dein Fluch ist kein Fluch. Er ist ein Segen, Kind. Vertrau und versprich mir, niemals herauszufinden, wer du wirklich bist und woher du kommst.«
Svenya hatte überhaupt nicht an den Fluch gedacht. Sie hatte sich schon lange damit abgefunden, ihre wahre Identität nicht zu ergründen ... ihre Neugier ihrer Mission hintanzustellen. Gleichzeitig war die Unwissenheit eine permanente Qual ... eine Qual, die sie zum Wohle ihres Volkes und der Macht, die sie brauchte, um es zu schützen, zu ertragen gelernt hatte. Jetzt, da Alberich sterben würde, war es noch wichtiger denn je, ihre Kräfte nicht zu gefährden. »Ich verspreche es!«
Der König stieß einen erleichterten Seufzer aus. »Dann wird alles gut«, sagte er und wandte sich wieder an seinen Sohn. »Und du, Hagen ... ich will, dass du weißt, wie sehr du mich mit Stolz erfüllst ... immer erfüllt hast. Jetzt, da die Bedrohung durch Laurin und seine Horden ein für alle Mal abgewendet ist ... öffne dein Herz ... für Schönheit und ... Liebe. Führe unser Volk in die Sonne zurück.«
Svenya sah, dass Hagens Kiefer mahlten. »Die Gefahr aus Alfheim besteht nach wie vor.«
»Ja, das tut sie«, räumte Alberich ein. Seine Stimme wurde immer schwächer. »Aber solange das Tor gut gegen Angriffe von drüben gesichert bleibt, werdet ihr euch jetzt wenigstens auf dieser Seite freier bewegen können, ohne ständig vor Laurin auf der Hut sein zu müssen.«
»Macht Euch keine Sorgen, König Alberich«, sagte Svenya und streichelte seine Stirn. »Das Volk der Elben ist bei Hagen in guten Händen.«
»Solange du an seiner Seite bist, hege ich da keinen Zweifel«, sagte Alberich - und schmunzelte. Dann musste er plötzlich husten, und Svenya sah Blut auf seinen Lippen. Hagen hob ihn an und strich ihm über den Rücken, bis der Husten vorüber war. Danach war der König noch schwächer als zuvor. Doch er lächelte.
»Vater, stirb nicht«, sagte Hagen heiser. »Bitte.«
Der König wollte noch etwas sagen, brachte aber kein Wort mehr heraus. Er bedeutete Hagen matt, sein Gesicht näher zu ihm herabzubeugen, und Hagen gehorchte. Alberich nahm den Kopf seines Sohnes in die vor Schwäche bebenden Hände und küsste seine Stirn. Der Kuss war sanft und lange ... dann sank Alberichs Kopf zurück, und Svenya erkannte mit einem Krampf in der Brust, dass kein Leben mehr in ihm war.
Hagen schluchzte, umarmte seinen toten Vater und drückte ihn an sich, und gleich darauf wurde der Körper des Kriegers von heftigem Weinen geschüttelt.
Svenya ließ ihren eigenen Tränen freien Lauf und legte eine Hand in seinen Nacken. »Verzeih, Hagen. Es ist alles ganz allein meine
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