Der schwarze Prinz
zurückgehaltenen Gefühle trafen, brachte Svenya sie in Gedankenschnelle fort von diesem Ort des Todes in ihre Gemächer ...
... wo in den folgenden Stunden die Magie ihrer endlich entfesselten Liebe ihre Wunden heilte ... die ihren und die seinen ... die ihrer Körper, aber vor allem die ihrer Herzen.
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Elbenthal - Albbrü-Tor
Die Beisetzung Alberichs fand gleich am nächsten Morgen in angemessen feierlichem Rahmen statt. Da die Torhalle selbst nicht ausreichend Platz bot für alle Lichtelben, die ihm die letzte Ehre erweisen wollten - und das waren ohne Ausnahme alle überlebenden Bewohnerinnen und Bewohner Elbenthals verlief der Trauerzug in einem mäandernden Labyrinth durch die halbe, zu einem nicht geringen Teil in nur provisorisch zur Seite geräumten Trümmern liegende Festung. Svenya und Hagen führten den Zug an - beide in ihrer strahlendsten Rüstung. Trotz der unermesslichen Trauer, die Svenya für den Tod des Königs, den sie so sehr lieb gewonnen hatte, und den Tod all der in der Schlacht um Elbenthal Gefallenen empfand, hatte sie das Gefühl, als schwebte sie auf Wolken. Sie und Hagen hatten ihrer Liebe endlich alle Pforten geöffnet und einander hingegeben ... dabei auch ihren Schmerz geteilt, sich Trost gespendet und einander über die schrecklichen Verluste hinweggeholfen. Sie hatten ihre erste gemeinsame Nacht unter seligem Lächeln und tief von innen herausbrechenden Tränen zu einem Ritual des Lebens gemacht - und dabei gemeinsam dem Tod und der Pein, aber vor allem der Angst vor dem Morgen und den Sorgen um die Zukunft die Stirn geboten.
Dicht hinter ihnen gingen Raik, Yrr und Liff. Reyja war gefallen, und von Wargo und seinem Wolf hatten die Trupps, die Aarhain durchsucht hatten, keine Spur gefunden. Die Trauerfeier galt auch ihnen - wie etwa zweihundert weiteren Kriegerinnen und Kriegern Elbenthals, die im Kampf gegen Oegis und Laurins Horden gefallen waren. Svenya sah, dass Raik Yrrs Hand hielt, und war glücklich darüber, dass die Nähe des Todes scheinbar auch die beiden endlich zur Vernunft gebracht hatte.
Direkt dahinter schwebte ein hölzernes Schiff, das von der Form her ähnlich gebaut war wie Hagens goldene Skidhbladhnir - nur sehr viel kleiner. Auf dem Deck vor dem großen Mast war Alberich aufgebahrt - in einem prachtvollen Gewand aus mit Saphiren besetztem Silber. Er trug seine Krone, und in den regungslosen Händen hielt er das Zepter und eine weiße Rose. Hagen hatte ihm eigentlich ein Schwert mit auf den Weg geben wollen, aber Svenya hatte ihn daran erinnert, dass Alberich nie ein Mann des Kampfes gewesen war. Egal, was Oegis behauptet hatte - Svenya wusste es besser: Alberich hatte in den unzähligen Jahrtausenden seines Lebens immer und immer wieder versucht, den Kämpfen und Kriegen, die man an ihn herangetragen hatte, aus dem Weg zu gehen ... mit furchtbarerweise oftmals verheerenden Folgen. Er hatte deshalb zuerst Niflheim verloren und dann Alfheim ... und schließlich, als er dem allerletzten Kampf nicht mehr ausweichen konnte, sein Leben. Svenya fand es schwer zu sagen, ob er damit letzten Endes Opfer seines eigenen Fluches über den Ring geworden war oder einfach nur das Opfer nie verebbender Habgier. Doch nichts davon war für ihn jetzt noch länger von Bedeutung. Er hatte ein langes Leben gelebt - ein unvorstellbar langes - und ein erfülltes.
Der Zug erreichte die Torhalle, in der aus Sicherheitsgründen die besten Kriegerinnen und Krieger warteten, die Yrr allesamt einzeln ausgesucht hatte. Sie standen in mehreren Reihen Spalier bis zum Albbrü-Tor und sangen ein altes Lied, das so traurig war, dass Svenya die Tränen kamen. Sie schämte sich ihrer nicht und stimmte in den Gesang mit ein.
Das Schutzgitter wurde nach oben gerollt.
Yrr, Raik und Liff traten beiseite, und Svenya und Hagen führten die blumengeschmückte Barke bis hin zum Tor.
Hagen erhob beide Hände, und der Gesang verstummte. Svenya sah, wie Hagens Kiefer mahlten und er gegen die Tränen kämpfte. Sie nahm seine Hand und flüsterte mit Blick auf Alberich: »Sie gehören ihm. Lass sie frei.«
Hagens Kiefer entspannten sich, und er begann, sachte zu weinen.
»Hier geht er nun hin«, wandte er sich mit dennoch tragender Stimme an sein Volk. »Unser Vater. Unser Schöpfer.«
Svenya wurde bewusst, dass dies das erste Mal in der Geschichte war, dass ein Volk seinen eigenen Schöpfer und Gott zu Grabe trug. Einen Gott, der all die Jahrtausende mitten unter ihnen gelebt hatte -als einer der
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