Der schwarze Prinz
an Geschwindigkeit gewinnend. Oegis warf einen zweiten Felsen, dann einen dritten - beim zweiten machte der Speer noch einmal ein Ausweichmanöver, der dritte prallte von seinem unsichtbaren Panzer ab und fiel zur Seite weg, ohne etwas angerichtet zu haben.
Jetzt sah Svenya Furcht in den Augen des Drachen aufblitzen -aber nur für einen Moment, dann riss er sich zusammen und erhob sich mit festen Schlägen seiner weiten Flügel in die Luft. Dabei fixierte er nicht länger den Speer, sondern Svenya. Sie ahnte sofort, was er vorhatte: Wenn er zu ihr gelangen und sie töten könnte, ehe der Speer ihn traf, würde der Zauber der Waffe versiegen und diese harmlos zu Boden fallen. Er musste ihr nur auf dem Weg zu Svenya lange genug ausweichen.
Oegis flog los und beschrieb augenblicklich einen Bogen um die Flugbahn des Speeres herum. Svenya konnte kein Risiko eingehen -sie verstärkte die Macht ihres Schwebezaubers. Der Speer beschleunigte, als hätte man einen Raketenantrieb gezündet, und beschrieb eine enge Kurve in Richtung der Brust des Drachen.
Oegis rollte sich zur Seite, und der Speer schoss über ihn hinweg. Doch nicht sehr weit, dann beschrieb er wieder eine Kurve und nahm erneut an Tempo auf. Inzwischen war Oegis schon auf zwanzig Meter an Svenya heran und sie sah, wie er Luft holte, um sie mit seinem feurigen Atem zu verbrennen. Da tauchte von hinter ihm der Speer in einem Halbkreis auf und jagte sich ihm mitten in die Brust.
Für einen Moment zuckte der Drache erschreckt zusammen ... aber dann beruhigte er sich sofort wieder ... und begann mit einem Mal befreit zu lachen!
»Es scheint, meine Schuppen sind um einiges dicker geworden als seinerzeit, als Hagen mich mit ebenjener Waffe bekämpft und besiegt hat.« Tatsächlich, der Speer steckte mit der Spitze in einer der Schuppen seiner gepanzerten Brust.
»Verdammt!«, fluchte Svenya - doch dann grinste auch sie. »Das wäre für mich jetzt aber eine ziemlich beschissene Situation ... wenn ich auf deine Brust gezielt hätte. Dann hätte der Speer jetzt seine Mission erfüllt ... und versagt ... und du hättest gewonnen ... und ich wäre gleich tot.«
Oegis verschluckte sich an seinem Lachen. »W-was meinst du?«, fragte er unsicher und versuchte, den Speer zu packen und ihn herauszuziehen. Vergeblich.
Sie lachte auf. »Sag du es mir. Du weißt doch ohnehin alles, o Sohn des Fafnir, Enkel des Hreidmar.«
Seine glühenden Augen weiteten sich, und Svenya las darin, dass er, der das Schicksal so vieler gesehen hatte, nun endlich auch sein eigenes sah.
»D-du h-hast nicht auf meine Brust gezielt«, stotterte er fassungslos. »Du hast ... du hast ... auf mein Herz gezielt...«
»STIRB!«, brüllte Svenya so laut, dass es von den Wänden widerhallte und die Höhle erbebte.
Mit diesem einen Wort entlud sie alle Magie, die sie mit dem Speer verband, und brachte den Panzer um den Speer herum zum Explodieren.
Die Brust des letzten der Drachen auf Midgard wurde mit einem lauten Krachen aufgerissen, und der mächtige Speer setzte die Reise zu seinem eigentlichen Ziel fort.
Bumm -
Magisches Metall durchstieß jahrhundertealte Muskeln, und das riesige Herz tat seinen finalen Schlag. Zu Tode getroffen bäumte Oegis sich noch ein einziges Mal auf, und eine gewaltige Fontäne seines unheiligen Feuers sprang ihm aus der Kehle gegen die Decke der Höhle. Gigantische Felsen und Tropfsteine lösten sich unter der urzeitlichen Hitze und schlugen auf ihn nieder.
Svenya nahm sich nicht die Zeit, dem sich im Todeskampf windenden Drachen beim Sterben zuzusehen. Sie rappelte sich auf und humpelte langsam in Richtung des regungslos am Boden liegenden Elbenkönigs.
63
Der eisblaue Drache lag völlig still. Svenya konnte auf die Entfernung nicht erkennen, ob er noch atmete. Die Flügel und die Gliedmaßen waren furchtbar unnatürlich verrenkt, und aus zahlreichen Wunden sickerte das Blut. Während sie sich ihm schleppend näherte, kehrte ihr Speer zu ihr zurück. Sie nahm die Energie, die er noch in sich trug, wieder auf und auch den wieder auf seine herkömmliche Größe zurückgeschrumpften Panzer. Die Magie verwendete sie nicht dazu, ihre eigene Heilung zu beschleunigen - sie würde sie gleich noch brauchen...
Svenya erreichte den König und ließ sich neben seinem Kopf auf die Knie sinken. Sie tastete seine Schnauze und seinen Hals ab, konnte aber weder Atem noch Puls spüren. Mit der flachen Hand strich sie ihm über die wulstige Braue und flüsterte:
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