Der schwarze Prinz
wissen.
»Die Früchte meiner Undercoverarbeit«, sagte Lykia stolz und führte ihn an das Geländer. »Oder glaubst du etwa, ich hätte die vergangenen siebzig Jahre in den Gewölben von Aarhain mit Wachdienst verbracht?«
Er hatte sich bereits darüber gewundert - wie über so vieles.
Sie lachte herzhaft, ja beinahe fröhlich auf und brachte damit sein Herz zum Stolpern ... so wie früher schon. Ihr Lachen war einer der Gründe, warum er sich in sie verliebt hatte. Es hatte ihn schon immer mit Glückseligkeit erfüllt. Für Wargo war es das schönste Geräusch der Welt. »Nein«, sagte sie. »Unser Aufeinandertreffen dort unten im Tunnel war ein unvorhersehbarer Zufall - oder vielleicht auch ein Wink des Schicksals, wer weiß? Ich kam mit Nagarr’TaÄrssa gerade von einer geheimen Besprechung mit Laurin. Und da keiner außer ihm von meiner Existenz überhaupt wissen durfte, wählte ich - wie immer zu diesem Zweck - den seit Langem nur noch von den Nadhr betretenen Weg durch die Gewölbe, damit uns niemand kommen oder gehen sah.«
»Ich verstehe nicht«, gestand Wargo. »Geheime Besprechungen mit Laurin?«
»Es gab einen Grund für das Vortäuschen meiner Hinrichtung durch die Nazis damals«, erklärte Lykia.
»Die waren eingeweiht?!?«
»Nein, die hatten keine Ahnung. Sie haben wirklich gedacht, sie hätten mich gefangen. Wir haben kurz vor der Erschießung das Silber gegen normale Munition ausgetauscht.«
»Wozu dieser ganze Aufwand?«
»Geduld, Wargo. Ich bin doch gerade dabei, es dir zu erklären: Die Welt - vor allem Hagen und seine Leute - sollte mich für tot halten, damit ich ungehindert, aber vor allem unentdeckt meine Mission erfüllen konnte.«
»Welche Mission?«
»Mein Auftrag war es, unerkannt um die Welt zu reisen und Schat-tenweltler zu finden. Die, die schon hier waren, ehe Alberich alle Tore bis auf das eine zerstört hat... und ihre Nachkommen. Eigentlich solltest du mich auf dieser Mission begleiten - aber du warst bereits mit wehenden Fahnen desertiert, ehe wir dich überhaupt noch einweihen konnten.«
»Ist das denn ein Wunder?«, begehrte Wargo auf. »Immerhin sah deine Hinrichtung so aus, als würde Laurin mit den Nazis unter einer Decke stecken.«
»Mit diesem Gewürm?« Sie zog eine angewiderte Grimasse. »Du weißt, dass der Schwarze Prinz so etwas nie tun würde.«
Er zuckte mit den breiten Schultern. »Damals sprachen sämtliche Beweise gegen ihn.«
»Nicht die Beweise, nur der Anschein«, relativierte Lykia. »Aber ich bin bereit, dir eine Chance zu geben, dich zu rehabilitieren.«
»Wie?«
»Indem du dich uns wieder anschließt«, sagte sie und deutete auf die Truppen unter ihnen. »Ich habe diese Armee zu einem einzigen Zweck hier versammelt und verborgen gehalten: Laurins Plan B -falls Elbenthal jemals die Oberhand gewinnen sollte über Aarhain.«
»Aarhain ist gefallen?«
Lykia erzählte Wargo in groben Zügen, was in der Zeit, die er im Heilkoma verbracht hatte, geschehen war. »Am Ende gelang es Laurin, Svenya durch das Tor zu entführen.«
»Nach Alfheim?«
Lykia nickte. »Hagen ist ihnen sofort hinterher. Er hat das Kommando Yrr übergeben ... und das Schöne ist: Genau dafür war Plan B von Anfang an gedacht. Keiner der Lichtelben rechnet mehr mit einem Angriff von Midgard aus. Sie glauben, da Laurins Armee besiegt ist, können sie sich jetzt auf dieser Seite des Tores frei bewegen. Sie haben nicht die Spur einer Ahnung davon, dass wir überhaupt existieren. Wir marschieren in weniger als einer Stunde von hier ab. Glaub mir, die Festung zu knacken, wird ein Kinderspiel.«
»Und du vertraust mir das alles an, weil...?«
Völlig unerwartet lächelte sie und schmiegte sich an ihn. »Weil ich jetzt anfange zu verstehen, dass dein Verrat an Laurin nur auf einem Missverständnis beruhte, und weil ich dich gut genug kenne, um zu wissen, wo deine wahren Loyalitäten liegen, Wargo. Vor allem aber, weil ich ganz deutlich fühle, dass und wie sehr du mich noch immer liebst. Kämpfe in dieser letzten, alles entscheidenden Schlacht an meiner Seite, und zwischen uns wird es wieder so sein, wie es einmal war.«
Wargo sah noch einmal nach unten auf die Armee zu seinen Füßen. Lykia hatte recht: Ohne Vorwarnung, nicht mehr mit einem Angriff von dieser Seite des Tores rechnend und um Alberich, Hagen und Svenya beraubt, war Elbenthal verloren. Er wandte den Blick zurück zu seiner Frau - der Liebe seines Lebens -, dann lächelte auch er, zog sie in seine Arme und küsste
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