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Der schwarze Prinz

Titel: Der schwarze Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Netty
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»Alberich.«
    Er reagierte nicht. Seine schuppige Haut war kalt - aber weil er in der Gestalt eines Eisdrachen war, konnte Svenya nicht sagen, ob das ein gutes Zeichen war oder ein schlechtes. Sie sammelte ihre Magie und ließ sie sanft von ihrer Handfläche aus in seine Stirn fließen. Eine Zeit lang geschah gar nichts, und Svenya spürte, wie sich eine Beklemmung um ihre Brust legte - so wie vorhin noch Oegis’ Klauen. Tränen stiegen ihr in die Augen, und Svenya ließ ihnen freien Lauf. Sie schaute über den Leib des Königs hinweg zur Festung. Große Teile davon waren schwer beschädigt. Von innen heraus drang noch immer der Lärm der Schlacht, jedoch nicht mehr so laut und so heftig wie zuvor. Svenya fragte sich, wie die Schlacht wohl verlief, und überlegte einen kurzen Moment lang, sich hinüberzutransportieren. Letzten Endes entschied sie sich dagegen, weil sie den König nicht alleine hier liegen lassen wollte - selbst wenn er vielleicht nicht mehr am Leben war - und weil sie in ihrem geschwächten Zustand niemandem eine Hilfe sein würde.
    Plötzlich verspürte sie ein leises Kribbeln in der Handfläche - ihre Magie war auf eine andere gestoßen ... auf die Alberichs. Sie war, das fühlte Svenya, nur ganz schwach, aber sie war vorhanden. Sie zog mental daran, so wie man vorsichtig an einem Faden zieht, um ihn nicht zu zerreißen, und ließ ihre eigene Energie an ihm entlang gezielter in Alberich fließen. Langsam, nicht zu viel auf einmal - um das zarte Band nicht zu zerstören.
    Svenya entspannte sich, so gut es ihr möglich war, um sich auf den Faden und seine Laufrichtung im Organismus des Drachen und im schwach glühenden Geist Alberichs zu orientieren und bis zum Kern vorzudringen. Die Verbindung wurde ein klein wenig stärker, und sie sah, wie die geschlossenen Lider des Drachen zu flackern begannen ... und sich allmählich einen Spalt weit öffneten. Die Augen dahinter rollten schwach und unkontrolliert hin und her.
    »Alberich«, flüsterte Svenya noch einmal. »König Alberich. Andvari, Oberon...« Sie nannte von seinen Namen, die ihr bekannt waren, mehrere, weil sie nicht wusste, in welchem Zustand sein Bewusstsein sich gerade befand und mit welchem er sich am ehesten angesprochen fühlen würde.
    Seine gewaltige Drachenbrust hob sich, und er stieß einen zittrigen Seufzer aus.
    »Wacht auf«, sagte Svenya leise und verstärkte den Fluss ihrer Energie.
    Statt jedoch aufzuwachen, begann er, sich zurückzuverwandeln ... ganz langsam. Svenya konnte beobachten, wie er schrumpfte und seine elbische Gestalt annahm. Unwillkürlich fragte sie sich, wie wohl seine wirkliche, seine ganz ursprüngliche Gestalt aussehen mochte.
    »Svenya!«, hörte sie da eine laut röhrende Stimme rufen, und für einen Augenblick lang fürchtete sie, Oegis wäre es irgendwie gelungen, von den Toten zurückzukehren. Doch dann erkannte sie, dass es Hagen war, der nach ihr rief.
    Sie fühlte ihr Herz einen erleichterten Sprung tun, dankte den Himmeln, dass er noch lebte, wandte sich um und sah ihn in der Nähe der Burg auf Stjarn reiten und ganz offenbar nach ihr suchen.
    »Hier!«, rief sie. »Wir sind hier!«
    Sie winkte, als er den Kopf in ihre Richtung drehte, damit er sie leichter fand, und widmete sich dann wieder dem König. Die Rückverwandlung vom Drachen war inzwischen fast völlig abgeschlossen, und er lag vor ihr, wie sie ihn zuletzt gesehen hatte: Rüstung, Gewand und Haare versengt von Oegis’ Feuer. Aber er war um ein Vielfaches gealtert - sein Gesicht eine von Falten zerfurchte, wächsern schimmernde Maske mit tief in dunklen Rändern liegenden Augen, in denen kaum noch Leben war.
    »Vater!«, rief Hagen, als er nahe genug war, zu erkennen, wer da bei Svenya lag, und gleich darauf sprang er neben ihnen zu Boden. »Vater!«
    Er nahm Alberichs Oberkörper in die Arme und sagte ein drittes Mal,  dieses Mal jedoch ganz leise: »Vater.«
    Alberich sah ihn an und hob mit großer Mühe den Arm, um Hagen die zitternde Hand an die Wange zu legen. »Mein Junge.«
    Hagen wollte ihn aufheben. »Ich bringe dich zurück in die Festung.«
    Der König schüttelte den Kopf. »Es ist zu spät.«
    »Zu spät?! Unsinn! Wir kriegen dich schon wieder auf die Beine!«
    »Meine Zeit ist gekommen, mein Sohn. Ich will...«
    »Wartet, ich habe eine Idee«, unterbrach Svenya, berührte Alberich und Hagen bei den Schultern und transportierte sich mit ihnen fort.

64
Elbenthal - Schatzkammer
    Svenya, Alberich und Hagen materialisierten

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