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Der schwarze Schattenjaeger

Der schwarze Schattenjaeger

Titel: Der schwarze Schattenjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Sommer
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wage es kaum, zu ihr zu sehen, als ich die Gardinen weiter öffne und durch das Zimmer eile.
„Es ist schon wieder so spät. Ich würde viel lieber hierbleiben“, beschwere ich mich. Ja. Ich würde am liebsten Tag und Nacht an deinem Bett wachen, Mama, deine Hand halten und darauf achten, dass du nicht aufhörst zu atmen. Aber du hast deine Schwester darum gebeten, dass ich bei ihr arbeiten soll. Ich weiß, dass du mir ein normales Leben ermöglichen willst, auch wenn das bedeutet, dass ich nicht immer hier sein kann. Natürlich bin ich dir dankbar, dass du an mich denkst und dich selbst zurücknimmst. Aber ich hasse dich auch dafür, dass du dafür sorgst, dass ich nicht immer bei dir sein kann. Und ich hasse mich dafür, solche Gedanken zu haben. Man sollte seine Mutter nicht dafür hassen, dass sie ihre Tochter liebt, vor allem nicht, wenn sie im Sterben liegt.
„Aber Tante Abby motzt mich sonst wieder an, wenn ich zu spät komme. Sie hat es halt nicht so mit Computern, obwohl ich ihr das schon so oft erklärt habe.“ Ich renne die Treppe hinauf in den ersten Stock, schalte das Radio im Badezimmer aus und schließe alle Türen, bevor ich wieder ins Erdgeschoss gehe. Ehe ich meine Stiefel anziehen kann, klopft es an der Tür.
„Sophie ist da!“, rufe ich laut, sodass es meine Mutter auch hören kann. Mit einem Sprung zur Tür öffne ich diese lächelnd, blicke dabei jedoch in zwei Gesichter.
„Guten Morgen?“, frage ich verwundert, als ich Sophie und eine andere Frau erblicke, die einen Schritt weit hinter ihr steht.
„Guten Morgen, Thalis. Ich habe Ellen mitgebracht, sie arbeitet seit einigen Tagen bei uns und soll mir ab heute helfend zur Hand gehen.“ Sophie ist eine gute Seele, ich mag sie wirklich sehr. Sie ist groß, kräftig gebaut und hat ein strahlendes Lächeln. Mit ihren dunkelbraunen Haaren, die stets zu einem Zopf gebunden sind, erinnert sie mich ein wenig an meine Mutter in jungen Jahren. Ach, was denke ich da nur. Meine Mutter ist ja noch jung. Ich meine natürlich in gesunden Jahren. Damals, als mein Vater noch lebte. Heute ist meine Mom 38 Jahre jung, also kein Alter, bei dem man ans Sterben denkt. Andere Frauen denken in diesem Alter an eine eventuelle zweite Schwangerschaft, heiraten ein zweites Mal oder gehen neue berufliche Wege. Für meine Mutter aber dreht sich alles darum, den nächsten Tag zu erleben und zu überleben. Ich sehe auf und lächele Sophie an, die mir freundlich zunickt. Sophie backt die leckersten Plätzchen und Kuchen in ganz Pemberton. Sie überreicht mir einen handgerechten Beutel mit einer großen Schleife darum. Ich kann mich jedoch dieses Mal nicht darüber freuen wie sonst.
„Eine zweite Pflegekraft?!“ Das gefällt mir gar nicht! Bislang kam Sophie immer allein. Die ganzen drei Jahre über, in denen meine Mutter zuhause gepflegt wurde. Nur wenn Sophie krank war oder Urlaub hatte, kam eine Vertretung, aber nie waren es zwei.
„Ja, wir haben mit Doktor Perston gesprochen und den neuen Pflegeplan besprochen. Ich werde zudem auch nicht jünger“, meint Sophie lächelnd, während sie ihre Hand auf Ellens Schulter legt. Damit hat Sophie natürlich nicht unrecht. Sie feierte erst vor wenigen Monaten ihren fünfzigsten Geburtstag, wirkt auf mich aber keinen Tag älter als vierzig. Sie überstrahlt alle kleinen Fältchen und jedes graue Haar, das sich unter den gefärbten hervorschummelt.
Ellen lächelt mich freundlich an. Ich sehe sofort, wie nervös sie ist.
„Ist sie ausgebildet? Wie lange macht sie das schon?“ Eine fremde Frau zu meiner Mutter lassen? Niemals! Es kann so vieles schiefgehen und außerdem kennt sie doch gar nicht den Tagesablauf und die zahlreichen Kleinigkeiten, die meine Mutter braucht. Wie viel Licht, wie viel Flüssigkeit sie braucht und welchen Fernsehsender sie am liebsten sieht! Panik kriecht in mir hoch und die Tränen, die ich schon die ganze Zeit über zu unterdrücken versuche, wollen plötzlich aus meinen Augen herausquellen. Noch schaffe ich es, aber ich weiß nicht, wie lange noch.
„Ich habe vor dreizehn Jahren meine Ausbildung abgeschlossen und bin mit meinem Mann vor zwei Wochen nach Pemberton gezogen. Ich bin mir durchaus bewusst, was für eine schwere Aufgabe es ist …“, erklärt Ellen mir, doch ich unterbreche sie forsch: „Das ist keine schwere Aufgabe! Sie reden hier über meine Mutter … da ist nichts schwer!“ Ich zittere am ganzen Körper und beginne zu blinzeln, starre dabei an die Zimmerdecke, um

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