Der schwarze Schattenjaeger
Mom im Sterben liegt. Ich ziehe meine Handschuhe aus und greife nach dem Metallgriff der Glastür, die mich in einen gläsernen Gang lässt. Hier kann man seine Füße auf der Fußmatte säubern und bekommt von oben warmen Wind entgegengeblasen. Im Sommer ist die Luft kühl und erfrischend, aber jetzt im Winter ist die warme Luft mit köstlichen Düften gemischt. Lebkuchen, Vanille und Zimt sollen den Kunden gleich Lust auf die Köstlichkeiten machen, die es im Café zu kaufen gibt. Da kommt doch direkt mein Hungergefühl zurück.
Etwas unsicher ist mein Blick, als ich mich umsehe. Tante Abby ist anscheinend in der Küche. Musik ertönt aus dem Radio und die angenehme Temperatur des Raumes wärmt meine Wangen.
Ich öffne die zweite Glastür, die mich in das Café hineinlässt, und lächle, als die kleine Türglocke erklingt und so mein Kommen anpreist.
„Hallo, Thalis Schätzchen“, ruft meine Tante aus der Küche. Sie klingt gar nicht wütend, aber das tut sie nie, dennoch fühle ich mich ertappt und schuldig, da ich mal wieder zu spät bin.
„Guten Morgen! Sorry … Ich, äh …“, murmle ich verlegen, während ich die warme Luft genieße, die mich aufwärmt.
Das laute Klackern von Abbys Absätzen ertönt und sie kommt aus der Küche geflitzt, die hinter der Theke liegt.
„Schön, dass du schon da bist, zieh dich schnell aus und leg deine Schürze um. Gestern kamen ein paar neue Busse mit Touristen, die strömen heute sicher in Scharen herein.“ Tante Abby ist ganz aufgeregt und grinst mich breit an, bevor sie wieder in der Küche verschwindet.
„Wegen deinen Flyern?“, frage ich sie, während ich mich meiner Jacke entledige und in bequeme Schuhe schlüpfe, die für das Personal und die Kunden da sind. Die Idee mit den Hausschuhen hatte Tante Abby vor ein paar Jahren, als eine Gruppe Touristen in den Laden kam und sie sich ihre Schuhe auszogen. Es war Winter und sie waren froh, sich hier aufwärmen zu können.
Ich schnappe mir die beigefarbene Schürze mit den hübschen Herzstickereien darauf und binde sie mir um, bevor ich zu Tante Abby in die Küche gehe. Hier duftet es bereits herrlich nach Kaffee, den sie jeden Morgen trinkt, sowie nach Kuchen und Muffins, die für die Auslage gebacken wurden.
„Legst du den Kuchen schon mal nach vorne?“, fragt sie mich, während ich von ihr umarmt werde und einen herzlichen Kuss auf meiner Wange spüre.
„Na klar …“, antworte ich ihr und schnappe mir die Tabletts, die ich sorgsam in die Auslage lege.
Es ist noch so angenehm ruhig an diesem Morgen. Ich mag diese Stille vor dem Sturm, wenn man nur mit sich und seinen Gedanken beschäftigt ist. Für einen Augenblick schließe ich meine Augen und atme tief durch.
Ich bin froh, dass ich hier arbeiten kann. Tante Abby ist so ein fröhlicher, lieber Mensch, eine tolle Mutter und immer für mich da. In ihrer Gegenwart fühle ich mich immer sehr wohl. Wenn man meine Mutter und Tante Abby zusammen sieht, kann man kaum glauben, dass beide Schwestern sind. Auch wenn meine Mutter acht Jahre älter ist, so sehen sie sich kaum ähnlich. Während Mom in ihren guten Jahren, vor der Krebserkrankung, schon sehr schlank war, ist Tante Abby sehr weiblich. Sie nahm während der Schwangerschaft mit Kimmy ein paar Kilo zu, obwohl ich finde, dass sie nun viel besser aussieht als vorher. Ihre braune Lockenpracht, die ihr knapp über die Schultern fällt, lässt sie jugendlich wirken, obwohl sie bereits dreißig Jahre alt ist. Oft benimmt sie sich aber wesentlich jünger, lacht viel und wirbelt durch das Café wie eine Fee, die über eine bunte Blumenwiese fliegt. Ich streichle über die Theke, bevor ich sie mit einem Tuch abwische. Irgendwie ist es ganz schön, dass sie so ein Wirbelwind ist. Ihre Fröhlichkeit ist eine willkommene Abwechslung zu meinem Alltag. Aber ob sie das ehrlich meint? Ich kenne meine Tante gar nicht anders, die mir eine gute Freundin ist. Vielleicht tut sie auch nur so, wenn ich anwesend bin, weil ich ja das arme Mädchen bin, dessen Mutter bald stirbt. Es ist wichtig, dass ich mich jetzt auf die Arbeit konzentriere. Meine Zukunft hängt schließlich davon ab, dass ich hier gutes Geld verdiene, um irgendwann einmal woanders zu leben. Zumindest träume ich davon. Kalifornien … irgendwo am Strand, in einem Büchercafé arbeiten, vielleicht sogar mein eigenes. Aber in die USA einzureisen, dort zu leben und zu arbeiten, ist gar nicht so einfach, darum wird es wohl ein Traum bleiben.
Und eigentlich ist
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