Der schwarze Schattenjaeger
plötzlich an zu kreischen.
„Die Hexe, die Hexe!“, ruft sie erschrocken und klammert sich dabei am Bein ihres großen Bruders fest.
„Was?!“ Jason schaut auf und sieht einen Schatten am Fenster.
„Oh Mist!“, ruft er erschrocken, greift sich den Arm seiner Schwester und hilft ihr hoch, bevor er mit ihr zusammen losrennt.
„Schnell weg!“ Die Kinder versuchen, durch den hohen Schnee zu entkommen, und flüchten den Weg entlang, der zwischen den Bäumen zur Stadt verläuft. Es sind etwa sechshundert Meter bis zum Stadtrand. Ein weiter Weg für Kinderbeine.
„Sie kommt und holt uns!“, kreischt Marie ängstlich, die sich immer wieder umsieht, ob ihr die alte Hexe vielleicht folgt. Das Holzhaus aber bleibt verschlossen. Es öffnet sich keine Tür und kein Fenster. Nur der Rauch aus dem Schornstein schlüpft heraus und steigt dem Himmel empor.
„Das war knapp.“ Jason versucht, seine weinende Schwester zu beruhigen, indem er sich zu ihr kniet und sanft erklärt: „Die Hexe ist uns ja gar nicht gefolgt. Weine bitte nicht, Mama wird sonst wütend.“ Das allerdings beruhigt die Fünfjährige kein bisschen.
„Das werde ich alles Mama sagen“, schimpft die kleine Marie, als sie und ihr Bruder wieder zuhause sind.
„Nein. Komm schon. Du wolltest doch unbedingt mit, und du hast gesagt, du weinst auch nicht, weil du schon groß bist.“ Jason rauft sich die Haare. Marie rennt zu ihrer Mutter, die sie sofort hochhebt.
„Was ist denn passiert?“ Besorgt streicht sie ihrer Tochter tröstend über die Wangen.
„Nichts.“ Jason versucht, sich an seiner Mutter vorbeizustehlen, da er weiß, dass es gleich mächtig Ärger geben wird.
„Moment mal, junger Mann! Hiergeblieben!“, schimpft seine Mutter.
„Wir waren bei der Hexe“, sagt Marie dann, als sie ihre Hände um den Hals ihrer Mutter legt und sich fest an sie drückt.
„Wie bitte? Ich habe euch doch gesagt, dass ihr da nicht hindürft. Das ist eine arme, alte Frau und ich möchte nicht, dass ihr sie ärgert.“
„Mann, Marie, du kleine Petze.“ Jason wird von seiner Mutter ins Wohnzimmer gezogen, wo er sich auf das Sofa setzen muss. Mit verschränkten Armen straft er seine kleine Schwester ab, die sich noch immer an ihre Mutter klammert.
„Ich habe dir doch schon so oft gesagt, dass sie keine Hexe ist. Das ist Unsinn. Es gibt keine Hexen.“
Jason schmollt und Marie nimmt auf dem Schoß ihrer Mutter Platz, die sich neben ihren Sohn setzt.
„Aber sie spricht mit den Tieren im Wald und hat niemanden. Sie ist ganz alleine. Das ist voll unheimlich. Sie hat ja noch nicht einmal Angst vor den Bären und Wölfen. Sie muss eine Hexe sein“, verteidigt sich Jason. Seine Mutter atmet tief ein und aus, damit sie die richtigen Worte findet, um ihren Kindern zu erklären, dass es keine Hexen gibt.
„Ich will nicht, dass die böse Hexe mich auffrisst.“ Marie wischt sich die Tränen von den Wangen und schmiegt sich an ihre Mutter.
„Sie frisst dich nur, wenn du petzt“, schimpft Jason, der zusammenschreckt, als seine Mutter durch sein verschwitztes Haar streichelt.
„Es gibt keine Hexen. Sie ist eine alte Frau, die schon seit vielen Jahren hier in Pemberton lebt. Da sie schon so alt ist, sind alle ihre Freunde vor langer Zeit gestorben. Sie tut niemandem etwas Böses und sie entführt auch keine kleinen Mädchen in den Wald, um sie zu fressen.“
„Wirklich?“, fragt Marie skeptisch nach.
„Wirklich.“ Ihre Mutter kitzelt Marie, die sofort laut loslacht.
„Und jetzt geht es ab in die Badewanne. Denn wer draußen im Schnee spielt und schwitzt …“, beginnt ihre Mutter mahnend, bevor Jason und Marie den Satz fortführen: „Der wird schnell krank. Darum muss man aus den nassen Sachen raus und ins Warme.“ Während Jason genervt von dem Spruch seiner Mutter ist, springt Marie jubelnd durch das Wohnzimmer und flitzt ins Badezimmer.
Nur Jason bleibt zurück, lauscht dem prasselnden Kaminfeuer und versucht sich zugleich an den Schatten zu erinnern, den er am Fenster des Hexenhauses gesehen hat. War das wirklich die alte Frau gewesen? Er kniet sich auf die Couch und schaut aus dem Fenster. Es schneit schon wieder und er kann nur noch die nahegelegenen Häuser erkennen. Den Wald, an dem das Holzhaus der Hexe steht, sieht er nicht mehr, dafür ist der Schneefall zu dicht. Er stützt seinen Kopf auf beiden Händen ab und seufzt, bis seine Augen einen schwarzen Fleck erwischen, der in der Ferne zu stehen scheint. Was ist das? Jason
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