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Der schwarze Schleier

Der schwarze Schleier

Titel: Der schwarze Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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bekommt, obBruder Hawkyard ein getreuer Verwalter war, den der Herr kürzlich meinte, als er euch genau hier an dieser Stelle das Bild vom Gegenteil, das Bild eines ungetreuen Verwalters zeichnete; denn das hat der Herr getan, nicht ich. Daran dürft ihr nicht zweifeln!«
    Bruder Gimblet stöhnte und brüllte sich durch mein Schriftstück und anschließend durch eine ganze weitere Stunde. Der Gottesdienst endete mit einem Lied, in dem die Brüder mich wie mit einer Stimme anblökten und die Schwestern mich wie mit einer Stimme ankreischten, »dass ich durch schnöden Gewinn verführt, sie aber vom süßen Wasser der Liebe gerührt; dass ich mit Mammon kämpfte im finsteren Tal, sie jedoch auf der Arche gerettet waren allzumal«.
    Ich verließ diese Versammlung mit schmerzendem Herzen und erschöpftem Geist, nicht weil ich so schwach war, diese engstirnigen Geschöpfe für Ausleger der göttlichen Majestät und Weisheit zu halten, sondern weil ich schwach genug war, mich so zu fühlen, als wäre es eben mein hartes Schicksal, stets falsch verstanden und gedeutet zu werden, wenn ich mich am meisten bemühte, jegliches Aufwallen der Selbstsucht in mir zu unterdrücken, und wenn ich am meisten hoffte, es wäre mir in meinem ernsthaften Bemühen gelungen.
    Kapitel 7
    Meine Schüchternheit und Zurückgezogenheit führten dazu, dass ich auch im College ein sehr abgeschiedenes Leben führte und wenig bekannt war. Kein Verwandter kam mich je besuchen, denn ich katte keine Verwandten. Keine vertrauten Freunde störten mich bei meinen Studien,denn ich hatte keine vertrauten Freunde gewonnen. Ich bestritt meinen Unterhalt von meinem Stipendium und las viel. Meine Zeit im College unterschied sich ansonsten nicht so sehr von meiner Zeit in Hoghton Towers.
    In dem Wissen, dass ich für die lärmende Geschäftigkeit des geselligen Lebens nicht geeignet war, aber in dem Glauben, dass ich durchaus in der Lage wäre, meine Pflichten auf gemäßigte, ernsthafte Weise zu erfüllen, falls ich eine kleine Stelle in der Kirche bekommen konnte, richtete ich meine Studien auf den geistlichen Stand aus. In der üblichen Reihenfolge empfing ich die Weihen, wurde ordiniert und begann mich nach einer Anstellung umzuschauen. Ich muss noch anmerken, dass ich einen guten Abschluss gemacht hatte, dass es mir gelungen war, ein hervorragendes Stipendium zu erringen, und dass meine Mittel für meinen zurückgezogenen Lebenswandel mehr als ausreichend waren. Inzwischen hatte ich auch verschiedene junge Männer auf ihre Prüfungen vorbereitet, und diese Beschäftigung trug zu meinem Einkommen bei, während sie mich gleichzeitig sehr interessierte. Ich hörte einmal zufällig zu meiner unendlichen Freude unseren größten Don sagen, er »hätte vernommen, dass Silvermans Gabe der ruhigen Erklärung, seine Geduld, seine liebenswürdige Natur und seine Gewissenhaftigkeit ihn zu einem der besten Nachhilfelehrer machten«. Möge mir meine »Gabe der ruhigen Erklärung« bei der hier vorliegenden Erklärung gelegen kommen und mich kräftiger unterstützen, als ich glaube, dass sie es tun könnte!
    In gewisser Weise könnte es auf die Lage meiner Räume im College zurückzuführen sein (sie befanden sich in einer Ecke, in der das Tageslicht abgeschwächt war), aber in höherem Maße ist es wohl meinem Geisteszustand geschuldet, dass es mir, wenn ich auf diese Zeit meines Lebens zurückblicke,vorkommt, als hätte ich mich stets in einem friedvollen Schatten befunden. Andere kann ich im Sonnenlicht sehen; ich kann unsere Bootsmannschaften und unsere athletischen jungen Männer auf dem glitzernden Wasser sehen oder im wechselnden Licht der sonnenbeschienenen Blätter; aber mich selbst sehe ich immer als Zuschauer im Schatten. Keineswegs ohne Anteil zu nehmen – aber als einsamen Zuschauer, ganz so wie ich aus den Schatten der Burgruine auf Sylvia oder auf das rotschimmernde Licht im Fenster des Bauernhauses geschaut und dem Trappeln der tanzenden Füße gelauscht hatte, als damals abends der Innenhof der Ruine schon ganz finster war.
    Nun komme ich zu dem Grund, aus dem ich vorhin dieses Lob meiner Person zitiert habe. Ohne einen solchen Grund wäre es schiere Prahlerei gewesen, es hier zu wiederholen.
    Unter denen, die mit mir für die Prüfungen gelernt hatten, war Mr. Fareway, der zweite Sohn von Lady Fareway, der Witwe des Baronets Sir Gaston Fareway. Die Begabung dieses jungen Mannes war überdurchschnittlich, aber er kam aus einer reichen Familie und war

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