Der schwarze Schleier
faul und dem Luxus verfallen. Er stellte sich mir zu spät vor und kam danach auch zu unregelmäßig zu mir, als dass ich ihm viel hätte helfen können. Schließlich hielt ich es für meine Pflicht, ihn davon abzubringen, eine Prüfung abzulegen, die er niemals bestehen würde, und er verließ das College ohne Abschluss. Nach seinem Fortgang schrieb mir Lady Fareway und verlangte von mir der Gerechtigkeit halber, ich sollte mein halbes Honorar zurückgeben, da ich doch für ihren Sohn von so geringem Nutzen gewesen war. Meines Wissens war noch in keinem anderen Fall je eine solche Forderung gestellt worden, und ich gestehe offen, dass mir die Gerechtigkeit dieser Überlegung nicht in den Kopf gekommenwar, ehe man mich deutlich darauf hinwies. Aber ich sah das sofort ein, kam dieser Forderung nach und schickte das Geld zurück.
Mr. Fareway war zwei oder mehr Jahre fort, und ich hatte ihn ganz vergessen, als er eines Tages in meine Räume kam und mich über meinen Büchern sitzend fand.
Nach den üblichen Begrüßungen sagte er: »Mr. Silverman, meine Mutter ist in einem Hotel in der Stadt und möchte, dass ich Sie ihr vorstelle.«
Ich fühle mich in der Gesellschaft von Fremden nicht wohl und nehme an, ich habe es mir vielleicht anmerken lassen, dass ich ein wenig nervös oder unwillig war. »Denn«, fuhr er fort, ohne dass ich etwas gesagt hatte, »ich glaube, dass diese Unterredung sehr förderlich für Ihre weiteren Aussichten sein könnte.«
Es trieb mir die Röte ins Gesicht, dass ich mich von einem so selbstsüchtigen Grund in Versuchung führen lassen sollte, und ich erhob mich unverzüglich.
Da fragte Mr. Fareway, während wir unseres Weges gingen: »Haben Sie eine gute Hand mit Geschäften?«
»Ich glaube nicht«, antwortete ich.
Darauf Mr. Fareway: »Meine Mutter hat eine.«
»Wirklich?«, hakte ich nach.
»Ja, meine Mutter ist, was man gewöhnlich als eine wirtschaftlich denkende Frau bezeichnet. Das ist nicht unbedingt schlecht, wenn man mal den verschwenderischen Lebensstil meines Bruders im Ausland betrachtet. Kurz gesagt, eine wirtschaftlich denkende Frau. Das nur unter uns im Vertrauen.«
Er hatte noch nie vorher im Vertrauen mit mir gesprochen, und ich war überrascht, dass er es jetzt tat. Ich erwiderte, ich würde sein Vertrauen nicht missbrauchen, und ging sonst nicht weiter auf dieses heikle Thema ein.
Wir hatten nur eine kleine Strecke zurückzulegen, und schon bald befand ich mich in der Gesellschaft seiner Mutter. Er stellte mich vor, schüttelte mir die Hand und überließ uns (wie er sagte) dem Geschäftlichen.
Ich erblickte in Mylady Fareway eine attraktive, gut erhaltene Dame von recht üppiger Statur mit einem steten Starren in ihren großen, runden dunklen Augen, das mich verlegen machte.
Mylady sagte: »Ich habe von meinem Sohn gehört, Mr. Silverman, dass Sie sich freuen würden, wenn Sie eine Stellung in einer Kirchengemeinde bekommen könnten.« Ich gab Mylady zu verstehen, dass dem so war.
»Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist«, fuhr Mylady fort, »dass wir eine Pfründe zu vergeben haben? Ich sagte wir, aber eigentlich habe
ich
sie zu vergeben.«
Ich erklärte Mylady, dass mir das nicht bewusst gewesen war.
Darauf Mylady: »So ist es. Tatsächlich habe ich zwei Pfründen zu vergeben, eine für zweihundert im Jahr, die andere für sechshundert. Beide liegen in unserer Grafschaft – North Devonshire, wie Sie vielleicht wissen. Die erste ist unbesetzt. Möchten Sie sie haben?«
Myladys Augen und die Plötzlichkeit dieses Vorschlags verwirrten mich sehr.
»Es tut mir leid, dass es nicht die größere Pfründe ist«, sagte Mylady ziemlich kühl, »wenn ich Ihnen, Mr. Silverman, auch nicht das zweifelhafte Kompliment machen möchte, anzunehmen, dass es auch
Ihnen
leidtut, denn das wäre ja gewinnsüchtig – und dass Sie nicht gewinnsüchtig sind, davon bin ich überzeugt.«
Darauf ich mit äußerstem Ernst: »Danke, Lady Fareway, danke, danke! Ich wäre zutiefst verletzt, wenn ich glaubte, von solcher Natur zu sein.«
»Natürlich«, erwiderte Mylady. »Das ist immer verabscheuenswert, aber besonders bei einem Geistlichen. Sie haben noch nicht gesagt, ob Sie die Pfründe haben möchten?«
Mit Entschuldigungen für meine Nachlässigkeit oder Vagheit versicherte ich Mylady, dass ich ihr Angebot sehr bereitwillig und dankbar annehme. Ich fügte hinzu, ich hoffe, dass sie meine Wertschätzung ihrer großzügigen Wahl nicht am Fluss meiner Worte messen würde; denn
Weitere Kostenlose Bücher