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Der schwarze Schleier

Der schwarze Schleier

Titel: Der schwarze Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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stets Sherrywein konsumierte, während diese Beratungen im Gange waren; dass diese immer damit endeten, dass Maria Jane in unglücklicher Stimmung auf dem Sofa lag; und dass mich Maria Janes Mama stets, wenn ich wieder herbeigerufen wurde, mit einem Ausdruck trostlosen Triumphs empfing, der mir nur zu deutlich zu verstehen gab: »Da, George Meek! Da sehen Sie es, mein Kind Maria Jane ist in den Abgrund gestürzt, und ich hoffe, jetzt sind Sie es zufrieden!«
    Ich übergehe ausnahmslos jenen Zeitraum, der zwischen dem Tag lag, an dem Mrs. Prodgit ihre Einwände gegen die Anwesenheit von Männern aussprach, und der ewig unvergesslichen Mitternachtsstunde, in der ich sie in einer Droschke zu meinem bescheidenen Zuhause brachte, mit einer sehr großen Kiste auf dem Dach und einem Bündel und einer Hutschachtel sowie einem Korb zwischen den Beinen des Kutschers. Ich habe keinerlei Einwände dagegen, dass Mrs. Prodgit (angestiftet und unterstützt von Mrs. Bigby, von der ich nie vergessen kann, dass sie die Mutter von Maria Jane ist) mein unauffälliges Heim völlig mit Beschlag belegte. In den tiefsten Tiefen meiner Brust lauert vielleicht doch der Gedanke, dass ein Mann, der Besitz ergreift, kaum so schrecklich sein kann wie eine Frau, noch dazu Mrs. Prodgit; aber ich muss viel ertragen, und ich hoffe, dass ich es kann und auch tue. Beleidigungen und Ablehnung verletzen meine Gefühle; aber ich kann sie klaglos erdulden. Es wird sich vielleicht langfristig bemerkbar machen; man mag mich von Pontius zu Pilatus hetzen, weit über meine Kräfte hinaus; trotzdem möchte ich vermeiden, dass es in der Familie zu unguten Worten kommt.
    Doch die Stimme der Natur erhebt sich laut zugunsten von Augustus George, meinem zarten Söhnchen. Für ihn würde ich gern einige wenige klagende Alltagsworte aussprechen.Ich bin überhaupt nicht zornig; ich bin sanftmütig – aber elend.
    Ich möchte wissen, warum, als mein Kind Augustus George in unser trautes Heim aufgenommen wurde, ein Vorrat an Nadeln angeschafft wurde, als wäre der kleine Neuling ein Verbrecher, der unverzüglich der Folter zugeführt werden solle, und kein anbetungswürdiger Säugling? Ich möchte wissen, warum man in solcher Hast diese Nadeln aus allen Richtungen in seinen unschuldigen Körper stach? Ich wünsche zu erfahren, warum man von Augustus George Licht und Luft wie Gift fernhält? Warum, frage ich, wird mein harmloser Säugling so mit Baumwollköper und Kattun, mit winzigen Laken und Decken in ein Korbbettchen gezwängt, dass ich ihn nur irgendwo tief unter dem rosa Verdeck dieser kleinen Bademaschine schnaufen höre (und wen wundert’s?) und niemals auch nur ein so winziges seiner Merkmale wie seine Nase genauer betrachten kann?
    Erwartet man von mir, der Vater eines französischen Haarknotens zu sein, da die Bürsten aller vereinten Nationen zu Werke gehen, um Augustus George zu kratzen und zu striegeln? Will man mir weismachen, es sei seiner empfindlichen Haut wirklich bestimmt, durch die vorzeitige und unablässige Nutzung jener ehrfurchtgebietenden kleinen Werkzeuge überall mit Ausschlag überzogen zu werden?
    Ist mein Sohn eine Muskatnuss, dass man ihn mit den steifen Kanten scharfer Rüschen raspeln muss? Bin ich der Vater eines Musselin-Jungen, dass seine weiche Oberfläche ständig gewellt und in kleine Falten gelegt werden muss? Oder besteht mein Kind aus Papier oder Leinen, dass seine weichen Arme und Beine mit den Eindrücken der feinsten Stärk- und Bügelkunst der Wäscherin ringsumbedruckt werden, wie ich es ständig beobachte? Die Stärke dringt bis in die Seele vor; wen wundert’s, dass er weint?
    War beabsichtigt, dass Augustus George Gliedmaßen haben sollte oder als Torso geboren würde? Ich gehe davon aus, dass Gliedmaßen beabsichtigt waren, da sie ja die gewöhnliche Ausstattung sind. Warum dann werden die Gliedmaßen meines armen Kindes gebunden und gefesselt? Will man mir weismachen, es gäbe eine Analogie zwischen Augustus George und Jack Sheppard 1 ?
    Man analysiere Rizinusöl in jedem Chemischen Untersuchungsinstitut, auf das man sich einigen kann, und teile mir mit, welche Ähnlichkeit, auch im Geschmack, es mit jener natürlichen Nahrung aufweist, die Augustus George zu verabreichen Maria Janes Stolz und Pflicht ist! Und doch beschuldige ich Mrs. Prodgit (angestiftet und unterstützt von Mrs. Bigby), seit der Stunde seiner Geburt meinem unschuldigen Sohn systematisch Rizinusöl aufzuzwingen. Wenn diese Arznei mit ihrer

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