Der schwarze Schleier
effektiven Wirkung Augustus George innere Turbulenzen verursacht, beschuldige ich Mrs. Prodgit (angestiftet und unterstützt von Mrs. Bigby), ihm dann in ihrem Wahn völlig widersinnig Opium zu verabreichen, um den Sturm zu beruhigen, den sie selbst heraufbeschworen hat! Was soll all das bedeuten?
Wenn die Tage der ägyptischen Mumien wirklich vorbei sind, wie kann es Mrs. Prodgit wagen, für meinen Sohn Mengen von Flanell und Leinen zu verlangen, mit denen ich mein bescheidenes Dach zudecken könnte? Wundere ich mich, wozu sie es benötigt? Nein! Heute Morgen habe ich vor einer Stunde den folgenden qualvollen Anblickerlitten. Ich sah meinen Sohn – Augustus George – in den Händen von Mrs. Prodgit und auf den Knien von Mrs. Prodgit, wie er angezogen wurde. In jenem Augenblick befand er sich in vergleichsweise natürlichem Zustand; er hatte nichts an außer einem außerordentlich kurzen Hemdchen, das in bemerkenswertem Missverhältnis zu seiner sonstigen Oberbekleidung stand. Von Mrs. Prodgits Schoß zum Boden hing ein langes, schmales Band – ich würde sagen, von mehreren Metern. Nun sah ich, wie Mrs. Prodgit den Körper meines harmlosen Säuglings in dieses Band fest einrollte, ihn dabei um und um drehte, dass einen Augenblick sein argloses Gesicht nach oben schaute, den nächsten sein kahler Hinterkopf, bis diese unnatürliche Tat vollbracht war und die Bandage mit einer Nadel gesichert wurde, von der ich jeden Grund habe, anzunehmen, dass sie in den Körper meines einzigen Kindes eindrang. In dieser Aderpresse verbringt er die gegenwärtige Phase seines Lebens. Kann ich dies alles wissen und noch lächeln?
Ich fürchte, ich habe mich hinreißen lassen, mich sehr heftig auszudrücken, aber ich bin zutiefst aufgewühlt. Nicht um meinetwillen, sondern wegen Augustus George. Ich wage es nicht, dazwischenzutreten. Wird es sonst jemand tun? Eine Veröffentlichung? Ein Arzt? Ein Vater? Irgendwer? Ich beklage mich nicht, dass Mrs. Prodgit (angestiftet und unterstützt von Mrs. Bigby) mir Maria Janes Gefühle völlig entfremdet hat und ein unüberwindliches Hindernis zwischen uns darstellt. Ich beklage mich auch nicht, dass man mir keine Beachtung schenkt. Ich
will
gar nicht, dass man mir Beachtung schenkt. Aber Augustus George ist ein Erzeugnis der Natur (anders kann ich es mir nicht vorstellen), und ich verlange, dass man ihn zumindest mit einem fernen Bezug zur Natur behandeln sollte. Meiner Meinung nach besteht Mrs. Prodgit von Anfang bisEnde nur aus Konventionen und Aberglauben. Haben denn alle Mediziner Angst vor Mrs. Prodgit? Wenn nicht, warum nehmen sie sich die Frau dann nicht vor und erziehen sie?
P S: Maria Janes Mama brüstet sich, selbst Kenntnisse auf diesem Gebiet zu besitzen, und sagt, sie hätte sieben Kinder außer Maria Jane großgezogen. Aber woher weiß ich, dass sie sie nicht viel besser hätte großziehen können? Maria Jane ist alles andere als kräftig, leidet unter Kopfschmerzen und einem nervösen Magen. Außerdem lese ich in den Statistiktabellen, dass eines von fünf Kindern im ersten Lebensjahr stirbt, und eines von dreien innerhalb der ersten fünf. Das sieht nicht gerade so aus, als könnten wir da keine Verbesserungen vornehmen, denke ich!
P P S: Augustus George hat Krämpfe.
Erstmals erschienen im Februar 1851 in »Household Words«.
Der Laternenanzünder
»Wenn Sie von Murphy und Francis Moore sprechen, meine Herren«, sagte der Laternenanzünder, der den Vorsitz übernommen hatte, »dann möchte ich sagen, dass keiner von denen je mehr mit den Sternen zu tun hatte als Tom Grig.«
»Und was hatte
der
mit ihnen zu tun?«, erkundigte sich der Laternenanzünder, der das Amt des Stellvertreters innehatte.
»Überhaupt nichts«, erwiderte der andere, »rein gar nichts.«
»Sie wollen also sagen, dass Sie Murphy nicht glauben?«, erkundigte sich der Laternenanzünder, der die Debatte begonnen hatte.
»Ich will damit sagen, dass ich Tom Grig glaube«, antwortete der Vorsitzende. »Ob ich an Murphy glaube oder nicht, das ist eine Sache, die ich mit meinem Gewissen abmachen muss; und ob Murphy an sich selbst glaubt oder nicht, das ist eine Sache, die er mit seinem Gewissen abmachen muss. Meine Herren, ich trinke auf Ihr Wohl!«
Der Laternenanzünder, der der Gesellschaft diese Ehre angedeihen ließ, saß im Kaminwinkel eines gewissen Gasthauses, das seit unvordenklicher Zeit die Anlaufstelle der Laternenanzünder ist. Er saß inmitten eines Kreises von Laternenanzündern und war
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