Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Schleier

Der schwarze Schleier

Titel: Der schwarze Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
ihre Ehemänner getröstet und sich allgemein um den Haushalt gekümmert . Es ist eine harte Sache für die Frauen, meine Herren, dass sie auf einen solchen Handlungsbereich eingeschränkt sind, eine sehr harte.
    Ich weiß alles über Tom, meine Herren, weil nämlich sein Onkel mütterlicherseits mein ganz besonderer Freund gewesen ist. Sein Schicksal (das von Toms Onkel) war ein trauriges. Das Gas war sein Tod. Als man zum ersten Mal darüber sprach, lachte er nur. Er war nicht wütend; er lachte über die Leichtgläubigkeit der menschlichen Natur. ›Genauso gut könnte man davon sprechen‹, meinte er, ›eine nicht enden wollende Reihe von Glühwürmchen zu benutzen‹, und dann lachte er wiederum, teils über seinen eigenen Witz, teils über die armselige Menschheit.
    Mit der Zeit zog die Angelegenheit jedoch Kreise, und das Experiment wurde gemacht, und die Gaslaternen beleuchteten Pall Mall. Toms Onkel ging hin, um es sich anzusehen. Ich habe mir sagen lassen, dass er in jener Nacht vor Schwäche vierzehnmal von der Leiter fiel und dass er sicherlich noch öfter heruntergefallen wäre, bis er sich umgebracht hätte, hätte sein letzter Sturz nicht in einer Schubkarre geendet, die in seine Richtung fuhr und ihn menschenfreundlich nach Hause brachte. ›Ich sehe voraus‹, sagte Toms Onkel schwach und ging zu Bett, während er so sprach, ›ich sehe voraus‹, sagte er, ›dass unser Beruf verschwindet. Nie mehr Runden bei Tag machen, um die Lichter zu putzen, nie mehr Öl auf die Hüte und Hauben der Damen und Herren heruntertröpfeln, wenn einen der Übermut packt. Eine Gaslaterne kann jeder niedere Wicht anzünden. Dann ist alles vorbei.‹ In diesem Geisteszustand verfasste er eine Bittschrift an die Regierung und bat um – wie nennt man das doch gleich, was die den Leuten geben, wenn es endlich herauskommt, dass sie nie zu irgendetwas nutze waren und zu viel fürs Nichtstun bezahlt bekommen haben?«
    »Eine Entschädigung?«, schlug der Stellvertreter vor.
    »Genau«, sagte der Vorsitzende. »Eine Entschädigung. Sie haben ihm aber keine gegeben, und dann hat ihn plötzlich die Heimatliebe ergriffen, und er ging herum und erzählte, das Gas wäre der Todesstoß für sein Vaterland und es wäre nichts als ein Komplott der Radikalen, um den Öl- und Baumwollhandel auf immer zu zerstören, und dass die Wale nun irgendwohin schwimmen und sich selbst umbringen würden, aus bloßem Groll und Verdruss, dass sie niemand mehr jagte. Endlich wurde er schlicht und einfach verrückt, nannte seine Tabakspfeife ein Gasrohr, dachte, dass seine Tränen Lampenöl wären, und erging sich über allerleiUnsinn, bis er sich eines Nachts an einem Laternenpfahl in der Saint Martin’s Lane aufknüpfte, und das war sein Ende.
    Tom liebte ihn, meine Herren, aber er überlebte die Sache. Er vergoss ein paar Tränen an seinem Sarg, betrank sich sehr, hielt am Abend auf der Polizeiwache eine Grabrede und musste am nächsten Morgen fünf Shilling Strafe dafür zahlen. Manchen Männern machen derlei Dinge nichts aus. Tom war einer von denen. An jenem Nachmittag ging er auf eine neue Runde: so klar im Kopf und so fieberfrei wie Pastor Mathew 3 persönlich.
    Toms neue Runde, meine Herren, war – ich kann nicht genau sagen, wo, weil er das niemals verraten hat; aber ich weiß, dass sie durch eine ruhige Gegend der Stadt führte, wo es einige seltsame alte Häuser gab. Ich habe mir immer gedacht, dass es irgendwo in der Nähe des Canonbury Tower in Islington gewesen sein muss, aber das ist nur meine Meinung. Wo immer es auch war, er ging auf seine Runde, mit einer brandneuen Leiter, einem weißen Hut, Jacke und Hose aus dunklem Hollandleinen, einem blauen Halstuch und einem Zweig von voll erblühtem Goldlack im Knopfloch. Tom hatte stets ein elegantes Aussehen, und ich habe es mir von den besten Kennern sagen lassen, dass man ihn, wenn er an jenem Tag seine Leiter zu Hause gelassen hätte, durchaus für einen Lord hätte halten können.
    Er war immer fröhlich, unser Tom, und ein so ausgezeichneter Sänger, dass er, wenn es bei uns irgendwelche Förderung für heimische Talente gäbe, sicherlich in der Oper gelandet wäre. Er stand auf seiner Leiter und sang in einer Manier vor sich hin, die man sich leichter vorstellen als beschreiben kann, als er hörte, wie die Uhr fünf schlug,und plötzlich einen alten Herrn mit einem Fernrohr in der Hand sah, wie der ein Fenster hochschob und ihn sehr genau anschaute.
    Tom wusste nicht, was im Kopf

Weitere Kostenlose Bücher