Der schwarze Thron - Reiter reiter3
hatten, überraschten die Frosts Karigan und Fergal, indem sie ihre Gäste mit Musik unterhielten. Jericho holte eine zerkratzte Fidel heraus, und Gus nahm eine Flöte aus der Tasche. Damian murmelte leise vor sich hin und suchte in der Küche herum, bis er schließlich zwei Silberlöffel gefunden hatte und triumphierend hochhielt.
»Damian!«, rief Lady. »Die guten Löffel meiner Mutter!«
Er grinste. »Sie machen auch gute Musik.«
Lady schüttelte seufzend den Kopf, und die Musik begann. Die Frosts beherrschten die Feinheiten ihrer Instrumente nicht wie die Schüler in Selium, aber sie spielten wohlbekannte, mitreißende Lieder, bei denen alle mitsingen konnten. Ladys Stimme war ein reizender Kontrapunkt zu Damians rauem Bariton, und selbst Fergal sang gut. Karigan, tontaub wie immer, sang leise und gab sich damit zufrieden, die Musik der anderen zu genießen und den Rhythmus mitzuklatschen.
Das letzte Lied des Abends sang Lady, und nur Jericho begleitete sie auf der Fidel. Das Lied war langsam und voll, mit langen Tönen einer Melodie, die einen nicht mehr loslassen wollte. Der Text brachte Karigan zurück auf die Ebene, vorbei an den zerbrochenen Türmen von Kmaern, wo der Wind klagend blies. Sie kehrte in das Tal mit seinem plätschernden Bach zurück, und das Lied führte sie noch weiter, zu den offenen
und einsamen Ebenen, berührt vom Blitz und überdeckt von blauschwarzen Sturmwolken. Dann kam der Winter mit Lagen von Schnee, die die Landschaftsszene umhüllten, eine Gruppe von Wildpferden marschierte hindurch, die Köpfe gegen den Wind gesenkt, das Fell verklebt von Schnee und Eis. Endlich war wieder Frühling im Tal, und neugeborene Fohlen machten ihre ersten wackligen Schritte.
Das Lied ging weiter und weiter, durch einen vollen Zyklus von Jahreszeiten und vom Leben zum Tod. Als Lady schließlich aufhörte zu singen und der letzte Ton der Fidel seufzend verklang, sackte Karigan erschöpft in sich zusammen. Niemand sagte etwas, und alle sahen aus, als erwachten sie gerade aus einem Traum. Außer Ero, der an der Feuerstelle schnarchte.
Es war kein Wunder, dass Lady die Pferde hereinsingen konnte, wenn man den Zauber bedachte, mit dem sie ihre Familie und die Gäste gerade belegt hatte.
Karigan bedauerte, dass sie und Fergal die Frosts am nächsten Morgen verlassen müssten, um ihre Reise fortzusetzen.
Nach der Musik ging Karigan noch einmal vor die Tür, um frische Luft zu schnappen. Sie hatte sich gegen die schneidende Kälte in ihren Mantel gewickelt, setzte sich auf einen verwitterten Holzstuhl und starrte in das Nichts der Nacht. Das Verandadach verdeckte viel vom Himmel, aber direkt hinter seinem Rand hingen ein paar Sterne.
Die Beine vor sich ausgestreckt und die Hände zum Wärmen in die Achselhöhle gesteckt, ließ sie den Tag mit den Wildpferden und dem Hengst noch einmal an sich vorbeiziehen. Hatte sie wirklich gesehen, was sie glaubte, gesehen zu haben? War es eine Art Traum gewesen? Und wenn nicht, konnte es Salvistar gewesen sein?
Sie hatte nie eine Position bezogen, was die Götter anging, vor allem, weil ihr Vater das auch nicht tat. Er hatte Korsas Mondkapelle unterstützt, aber überwiegend, um seine Stellung in der Gemeinschaft zu verbessern. Niemand hatte sie gezwungen, zur Kapelle zu gehen, nicht einmal ihre Tanten, und das Motto der G’ladheons schien zu sein: »Wir belangen die Götter nicht, also belangen sie uns auch nicht.« Dieses Motto hielt stand, bis zu diesem Tag.
Karigan fühlte sich hin und her gerissen. Ein Teil von ihr wünschte sich, man hätte sie in die Kapelle geschickt, damit sie besser begreifen konnte, was sie an diesem Nachmittag gesehen hatte – oder auch nicht. Der andere Teil war der Ansicht, dass sie lieber keine Gott-Wesen in ihr Alltagsleben einladen wollte, indem sie sie in der Kapelle heraufbeschwor. Es konnte nichts Gutes dabei herauskommen, wenn man die Aufmerksamkeit der Götter auf sich lenkte. Und es geschah vielleicht dennoch, ob man es nun wollte oder nicht.
Die Haustür ging knarrend auf, und im Lampenlicht sah Karigan Lady, die sich einen dicken Schal um die Schultern gewickelt hatte.
»Darf ich mich zu dir setzen?«, fragte sie.
»Selbstverständlich.«
Die Tür schloss sich, und alles war wieder dunkel. Es gab ein Kratzen, als Lady eine Bank heranzog, dann das Ächzen von altem Holz, als sie sich darauf setzte. Zuerst sagte keiner von ihnen etwas, und es war still bis auf das Seufzen des Winds und einen Eulenruf irgendwo in
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