Der schwarze Thron - Reiter reiter3
der Ferne. Sie waren zufrieden in der Gesellschaft der anderen und brauchten die Nacht nicht mit Gesprächen zu füllen.
Nach einer Weile brach Lady jedoch das Schweigen. »Ich kann nur raten, woran du denkst, aber es würde mich nicht
überraschen, wenn es um das geht, was du heute auf der Ebene gesehen hast.«
»Ja.«
»Das dachte ich mir. Die Ebene, das ist nicht nur Gras und Himmel, obwohl es einem auf den ersten Blick so vorkommen mag. Sie ist anders, machtvoll, vielleicht sogar gefährlich. Ich habe immer geglaubt, dass ein Echo der Magie, die bei der letzten großen Schlacht des Langen Krieges angewandt wurde, im Land geblieben ist. Das Land vergisst Tod und Leid nicht so schnell, oder das Blut, das in den Boden gesickert ist, und manchmal kann ich es durch meine Fußsohlen spüren, die Macht, die immer noch in der Erde bleibt. Und dann gibt es die verlorenen Kmaerner, deren Schreie ich manchmal im Wind höre.«
Karigan konnte Ladys Gestalt sehen, aber nicht ihr Gesicht. »Ihr denkt nicht, dass es nur der Wind sein könnte? «
»Ich habe mich entschieden zu glauben, dass ich mehr als den Wind höre«, sagte Lady. »Ich glaube, Damian tut das auch, aber er spricht nicht gern darüber, denn diese Schreie sind so voller Verzweiflung. Wir glauben beide an unsere Wahrnehmung der Dinge, musst du wissen. Damians Wahrnehmungsfähigkeit und Selbstvertrauen machen ihn zu dem Pferdekenner, der er ist.«
Die Bank knarrte, als Lady das Gewicht verlagerte. Sternenlicht schimmerte in ihren Augen. »Vielleicht sind wir nur alt und verrückt, Damian und ich. Vielleicht haben wir zu lange hier in der Ebene gelebt. Einige sagen, die Ebene kann einen durcheinanderbringen, wie die Wüste, wo man Fata Morganas in der Sonne schimmern sieht. Vielleicht ist es nur der Wind im Gras, der einen dazu bringt, ein Pferd dort zu sehen, oder Sturmwolken bauen Burgen am Horizont. Windträume nenne ich sie, diese Dinge, die man glaubt zu sehen.«
Ja, Windträume , dachte Karigan. Sie zog es vor zu glauben, dass ihre Vision des schwarzen Hengstes nicht mehr als das gewesen war. Vielleicht waren sie alle verrückt und hatten dieselben Einbildungen. Es war einfacher, das zu akzeptieren, als zu glauben, dass sie einem Gott-Wesen gegenübergestanden hatte.
»Ja, es gibt Windträume«, fuhr Lady fort, »aber ich ziehe es vor zu glauben, dass nicht alles, was man da draußen sieht, auf diese Weise abgetan werden kann. Vieles, was auf der Ebene geschehen ist, hat das Land nicht vergessen. Und es gibt viele Schichten der Welt. Mir kommt es nur vernünftig vor, dass diese Schichten an einigen Orten dünner sind oder sich sogar überlagern. Vielleicht hat diese große Schlacht vor so vielen Jahren die natürliche Ordnung der Dinge verändert und die Schichten dünner werden und sich vermischen lassen.«
Karigan schauderte, und das kam nicht von der Kälte. Sie glaubte nicht, dass sie irgendwo auch nur in der Nähe der Ebene leben wollte. Zu viele Schatten, zu viele Geister. Und dennoch stammte ihr geliebter Kondor von hier.
Sie wandte ihre Gedanken Ladys Worten zu – dass sie sich entschieden habe, ihre Wahrnehmungen zu glauben. Karigan fragte sich, ob ihre Vision von Salvistar nicht mehr existieren würde, wenn sie sich entschied, nicht daran zu glauben. Irgendwie dachte sie nicht, dass das funktionieren würde.
»Hilft Eure Wahrnehmung Euch bei Eurer besonderen Fähigkeit, mit Kräutern zu heilen?«, fragte Karigan.
Lady lachte leise. »Du hast recht, wenn du von einer besonderen Fähigkeit sprichst, denn Kräuterkunde ist schon lange unter den Frauen in meiner Familie überliefert worden. Manchmal verfügten auch Männer über diese Fähigkeit, aber überwiegend waren es Frauen. Ich habe keine Töchter, an die
ich all das weitergeben kann, aber Gus hat ein wenig Interesse gezeigt, obwohl beide Jungen eher dazu neigen, mit ihrem Vater Wildpferden hinterherzureiten. Vielleicht werde ich eines Tages einen Lehrling annehmen, oder einer meiner Söhne schenkt mir eine Enkelin.«
»Dann ist es also wirklich eine besondere Fähigkeit«, sagte Karigan und fühlte sich irgendwie verlegen. »Ich meine, nach meinem Sturz habt Ihr mir geholfen zu heilen.«
»Fähigkeit, Lernen und Wissen «, sagte Lady. »Meine Großmutter hat angefangen, mich zu unterrichten, als ich noch ein ganz kleines Ding war. Ich bin im Seenland von Rhovani zur Welt gekommen.«
Karigan hörte keinen rhovanischen Akzent bei ihr und war dementsprechend überrascht.
»Mein
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