Der schwarze Thron - Reiter reiter3
sinkenden Sonne. Sie ritten in den dünnen Schatten der Baumstämme wie eine Reiterbrigade, die in die wartenden Spieße der Infanterie prescht.
Die Grobiane sprachen kaum mit ihr und auch kaum miteinander.
Ihre Haltung erinnerte sie an Soldaten des Heeres, aber keiner trug irgendwelche Abzeichen. Den Anführer nannten sie Sarge, und er ritt stets vor ihnen her. Er bestimmte die Geschwindigkeit und die Dauer ihres Tagesrittes, und wenn er sprach, dann nur, um Befehle zu bellen. Sie waren Soldaten, und sie hatten einen bestimmten Auftrag – und dieser Auftrag bestand darin, sie zu rauben. Dabei wussten sie, dass der König ihnen eine schnelle und tödliche Truppe hinterherschicken würde. Das Wissen, dass eine Gefangennahme durch die Männer des Königs nur zur Todesstrafe führen konnte, trieb sie an.
Nach Sonnenuntergang ritt die Gruppe noch eine Zeit lang weiter, bis Sarge haltmachen ließ. Manchmal warteten Vorräte am Lagerplatz auf sie: Nahrungsmittel, die hoch oben in den Bäumen hingen. Sie hatten ihre Entführung genau geplant, sie hatten nicht mehr mitgenommen, als sie brauchten, damit sie leicht und schnell reisen konnten. Wenn sie anhielten, kümmerten sie sich zuerst um die Pferde, Sarge half Estora von Falans Rücken, und dann half er ihr auch beim Hinsetzen, bevor ihre Beine unter ihr nachgaben.
Dies war die einzige Höflichkeit, die man ihr erwies. Auch wenn sie sich erleichtern musste, erlaubten die Entführer ihr nicht, sich weit vom Lager zu entfernen oder ganz außer Sicht zu gehen. Wenn sie Glück hatte, lag ein Felsbrocken in der Nähe, oder es gab dichtes Unterholz, hinter dem sie sich zu dieser privatesten Tätigkeit verbergen konnte. Doch manchmal hatte sie kaum mehr als die Röcke ihres Gewandes, um zu verstecken, was sie tat.
Den Männern war das egal, aber sie spürte ständig ihre Tränen, die darum kämpften, die Oberhand zu gewinnen, und die sich weiterhin tief in ihrem Inneren aufstauten.
Dieser Abend war genau so wie die vorangegangenen
auch. Die Männer kamen ihren verschiedenen Aufgaben nach, wobei sie kaum ein Wort miteinander wechselten. Zwei kümmerten sich um die Pferde, einer zündete ein kleines Feuer an, das nur zum Aufwärmen diente und zu nichts sonst, denn sie kochten nicht. Der vierte Mann, der die Nachhut bildete, war noch nicht bei ihnen angekommen.
Estora fand einen Ast, auf dem sie sitzen konnte. Er roch verrottet und fühlte sich glitschig an, aber er krachte unter ihrem Gewicht nicht zusammen. Während die Männer arbeiteten, rieb und streckte sie ihre Beine, obwohl sie spürte, dass sie sich lange nicht mehr so furchtbar anfühlten wie zu Beginn und dass ihr verlängerter Rücken längst nicht mehr so arg schmerzte. Allerdings rieb der obere Knauf ihres Damensattels ununterbrochen an ihrem Schenkel, und ihre Haut war wund, obwohl sie unter ihren Röcken Hosen aus Rehleder trug. Wieder beschloss sie, sich nicht zu beklagen, denn damit hätte sie nur ihre Schwäche preisgegeben, genau wie mit den Tränen.
Als das Lagerfeuer zu goldenem Leben erwachte, kam sie nicht näher, um sich zu wärmen. Sie hielt sich stets von ihren Entführern fern. Die Männer ignorierten sie mehr oder weniger, ihnen war es egal, ob sie erfror oder nicht, auch wenn sie ihr eine raue, aber schwere Decke für die Nacht hinwarfen. Oh, wie sie ihr weiches Federbett und ihre Federdecke vermisste!
Als sie dasaß und auf der abendlichen Ration von lederhartem Trockenfleisch herumkaute, dachte sie an Karigan und begriff, dass sie sich nun wesentlich besser vorstellen konnte, was ihre Freundin – oder ihre frühere Freundin? – alles auf ihren gefährlichen Missionen ertragen musste. Was für eine Närrin Estora doch war. Hatte sie sich irgendwann einmal nicht sogar das Leben eines Grünen Reiters gewünscht, damit sie reiten konnte, wohin sie wollte?
Fast hätte sie laut gelacht. Als ob die Grünen Reiter selbst entscheiden könnten! Sie ritten, wann und wohin es der König befahl, egal wie groß die Gefahr auch sein mochte. Aber bis heute hatte sie das einfach nicht richtig verstanden.
Der Mann der Nachhut, der Whittle genannt wurde, ritt in das Lager und stieg ab. Er unterhielt sich leise beim Feuer mit Sarge. Estora konnte ihre Worte nicht hören. Als sie fertig waren, sprach Sarge einzeln mit den anderen Männern und kam dann zu ihr. Er stellte einen Fuß auf den Ast, auf dem sie saß, und erhob sich über ihr wie ein Turm.
»Anscheinend habt Ihr da einen Helden, der uns verfolgt.
Weitere Kostenlose Bücher