Der schwarze Thron - Reiter reiter3
über das Ende des Langen Krieges und den Bau des großen Walls.«
»Ihr könnt Altsacoridisch lesen?«, fragte Karigan überrascht.
Agemon sah sie beleidigt an. »Ja, ja. Natürlich kann ich das. Das muss man hier unten können.«
Das ergab Sinn, dachte Karigan, denn die Inschriften der alten Gräber waren in der alten Sprache abgefasst.
Agemon widmete sich wieder dem Buch und fügte hinzu: »Und ich kann Rhovanisch, Kmaernisch …«
»Kmaernisch?«
»Nur weil eine Zivilisation ausgestorben ist, heißt das noch lange nicht, dass ihre Sprache nicht weiterlebt. Ja, die Kmaerner leben durch ihre Worte weiter. Und selbstverständlich kann ich außerdem Arcosisch.«
»Selbst … selbstverständlich«, stammelte Karigan und betrachtete den Grabpfleger mit einem ganz neuen Respekt.
In diesem Augenblick kehrte Cera mit einem in schwarze Gewänder gekleideten Mann zurück, der eine Kapuze und eine Maske trug, so dass nur seine Augen zu sehen waren.
»Wen soll ich behandeln?«, fragte er mit tiefer, hallender Stimme.
Karigan schauderte und wollte sich hinter Fastion verstecken, aber bevor irgendjemand etwas sagen konnte, erschien die Geisterkatze wieder, rieb ihre Wange an der Seitenwand
von Königs Zacharias’ Sarkophag und sprang auf den Deckel. Als sie dort plötzlich mit dem Marmorterrier konfrontiert wurde, fauchte sie und schlug mit der Pfote nach ihm. Dann sprang sie wieder hinunter und schoss durch den Korridor davon.
»Sie muss oben dem echten Hund begegnet sein«, vermutete Fastion.
Karigan benutzte die Ablenkung, um alle Umstehenden zu betrachten: die Waffen, den schrecklichen Chirurgen der Toten, König Zacharias’ Marmorabbild und Agemon, der immer noch das Buch studierte.
»Ich gehe zu Bett«, verkündete sie.
Zunächst ernteten ihre Worte nur Schweigen, dann erhob sich ein Stimmengemurmel um sie herum, aber sie ging einfach weg, direkt an den Waffen und dem Chirurgen der Toten vorbei, zurück in die Hauptkammer der Hillander mit ihrer Heldenstatue König Smidhes und immer weiter. Am Rande nahm sie wahr, dass einige ihr folgten. Sie hatte genug getan. Es war Zeit, dass andere sich um den Rest kümmerten.
Brienne holte sie ein und lief neben ihr her. »Ihr solltet wirklich dem Chirurgen der Toten erlauben, Euch zu …«
»Ich bin nicht tot«, gab Karigan zurück.
Fastion holte ebenfalls auf, trotz seiner Krücken. »Auf jeden Fall noch nicht ganz«, bemerkte er. »Hier unten sind die Chirurgen der Toten auch Heiler.«
»Ich gehe zu Bett.«
»Kennt Ihr den Weg?«, fragte er.
»Nein«, antwortete Karigan.
Brienne kicherte. »Dann sollten wir Euch besser führen.«
»Ja«, stimmte Karigan zu.
Die umgebenden Gräber verschwammen vor Karigans Augen. Inzwischen war es ihr völlig egal, dass sie von Leichen
umgeben war. Ein paar Mal dachte sie sehnsüchtig an Königin Lyras Bett, denn der endlose Fußmarsch zurück zu den Korridoren der Lebenden schien übermäßig lang für ihren Körper, der in so kurzer Zeit so viel ertragen hatte. Fastion und Brienne lenkten sie ab, indem sie ihr Fragen über ihre Rolle bei Estoras Rettung und ihre bemerkenswerte Rückreise in die Stadt Sacor stellten. Karigan antwortete wie im Schlaf, sie wusste nicht einmal, ob die Worte, die aus ihrem Mund kamen, verständlich waren.
Sie bemerkte nicht, wann sie die Gräber verlassen hatten, und nahm die anderen Menschen, die am Rande ihres Sichtfelds erschienen und sie mit Fragen bombardierten, ebenfalls kaum wahr. Colin Dovekey war da, außerdem Garth und Hauptmann Mebstone.
»Ich gehe zu Bett«, sagte sie ihnen. Sie merkte, dass Brienne und Fastion Dinge ansprachen, die der Erklärung bedurften, und sie wichen nicht von ihrer Seite. Wenn jemand Erklärungen wollte, dann musste er eben Schritt halten. In Karigans Kammer würde es ziemlich eng werden, wenn all diese Leute bei ihr blieben.
Sogar der König, von weiteren Waffen umgeben, erschien im Korridor. Karigan hielt kurz an und verbeugte sich. »Verzeihung, Eure Majestät, aber ich muss weiter.«
»Sie geht zu Bett«, sagte jemand. Hauptmann Mebstone?
Diesmal verließ Fastion ihre Seite, um eine Erklärung abzugeben. Man konnte nicht erwarten, dass einem ein König folgte.
Normalerweise hätte sich Karigan eine Gelegenheit gewünscht, ein paar Minuten mit dem König zu verbringen und mit ihm zu reden, aber heute Nacht nicht – oder war es bereits morgen?
Als sie den Flügel der Reiter erreicht hatten, flossen ihr
Tränen der Erschöpfung und Erleichterung
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