Der schwarze Thron - Reiter reiter3
niedergerissen werden.
Als sie sich dem Wall näherte, spürte sie, dass die Wallhüter auf ihre Gegenwart mit einem Alarmruf reagierten. Sie kommt, sie kommt, sie kommt … schrien sie. Ja, sie erkannten die Gefahr, sie sie darstellte, aber sie waren so durcheinander, dass sie nichts tun konnten, um sie aufzuhalten.
Sie hielt vor der Bresche an. »Wir müssen die Pferde zurücklassen.«
Lala war offensichtlich unglücklich und hielt die Zügel ihres hellbraunen Ponys fest umklammert.
»Mein liebes Kind«, sagte Großmutter, »wir müssen die Tiere hierlassen. Es wäre grausam, sie mitzunehmen. Sie hätten
zu viel Angst, um uns durch den Wald zu tragen, und sie wären eine leckere Mahlzeit für alle möglichen Raubtiere.«
Das kleine Mädchen stieg ab und wischte sich eine Träne von der Wange. Großmutter war gerührt von Lalas Zuneigung zu dem Pony, denn sie zeigte selten so starke Gefühle. Die anderen waren damit beschäftigt, den Tieren das Gepäck abzunehmen und es sich selbst auf den Rücken zu schnallen. Sobald die Pferde freigelassen waren und sich von ihren Herren entfernten, würden sie für jeden im Lager sichtbar werden.
Großmutter betrachtete die Reparaturarbeiten an der Bresche. Der Alarm der Hüter vibrierte unter ihren Füßen. »Die Steinmetzarbeiten sind gut gemacht worden«, erkannte sie an, »aber ohne jede Raffinesse, und außerdem fehlt die Barriere. Es wird nur einen Augenblick dauern. Bleibt etwas zurück. «
Ihre Leute zogen sich zurück und machten ihr Platz. Auf der ganzen Reise hatte sie eine gewisse Länge Garn verknotet, denn sie hatte gewusst, was sie würde tun müssen. Sie hatte das indigofarbene Garn benutzt und rollte nun das verknotete Knäuel ab, indem sie Worte der Macht sprach. Sie berief die Kraft des Wassers, des Frostes, des Auftauens, des Windes, der Erosion und der Zeit. Das Ende des Garns erhob sich von ihrer Handfläche wie eine Schlange und wurde zu den Steinen gezogen. Es glitt in die Ritzen zwischen den Flächen, spaltete den Zement, schwächte den Stein und bohrte sich tief hinein. Mehrmals bildete sich Eis auf der Steinfläche und taute wieder, so schnell, dass man es nicht hätte wahrnehmen können, wenn man zwischendurch blinzelte. Erschütterungen brachten den Boden zum Schwanken, und Großmutter dachte, dass die Hüter ihre Zerstörung selbst bewirken würden.
Das Garn, die Knoten und die Worte der Macht verrichteten
ihr Werk und schwächten den Stein. Innerhalb weniger Augenblicke verwitterte und alterte er um Hunderte von Jahren. Die reparierten Teile der Bresche zerbrachen und fielen in einem Nebel aus Staub zu Boden. Es bebte so heftig, dass Großmutter fast umgefallen wäre.
»Kommt«, befahl sie ihren Leuten, bevor sich der Staub legen konnte, »wir müssen schnell auf die andere Seite.«
Ohne einen einzigen Blick zurückzuwerfen, bahnte sie sich ihren Weg über die Trümmer in den wartenden Wald.
Die Hüter spüren die Auswirkungen der Kunst. Der Stein in der Bresche lebt zwar nicht, aber er spürt die Vibrationen der Magie, die auf ihn einwirkt.
Zunächst ertastet die Magie den Stein, sie leckt daran und sinkt durch die Granitporen in ihn hinein. Sie breitet sich aus. Ein Gegenlied erklingt: ein Lied des Alterns und Verwitterns, der Schwäche und Erosion, des Frostes und Auftauens.
Es hallt durch die geschwächten Teile des Walls neben der Bresche. Das Lied der Hüter ist viel zu verwirrt, um es abzuwehren. Sie versuchen, sich zu organisieren, um Harmonie und Rhythmus zu finden, aber es ist zu lange her, und sie sind im Chaos verstrickt, wie ein Orchester, das im falschen Tempo und mit ungestimmten Instrumenten spielt: Stimmen, die vor Schmerz schreien, statt sich in melodischen Tönen zu vereinen. Die Angst der Hüter ist groß, aber sie verstümmeln ihr Lied nur noch mehr. Es gibt keine Einzelstimme, die sie vereint, ihnen hilft.
Hört mich! Folgt mir!
Doch die Stimme des Einen, der einst Pendric genannt wurde, ist in der Kakophonie verloren. Er hat so viel Zeit damit verbracht, Misstrauen und Hass zu verbreiten, dass er sie nicht heilen kann.
Der nicht-lebende Stein der Bresche gibt nach, als sei er innerhalb weniger Minuten um mehr als ein Jahrtausend verwittert. Granit stürzt zu Boden und hinterlässt ein klaffendes Loch im Wall.
Zunächst geschieht nichts weiter, aber dann beginnt das Grundgestein, auf dem der Wall erbaut wurde, zu grollen, und die Stimmen der Hüter in der Nähe der Bresche schwellen in einem Crescendo des
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