Der schwarze Thron - Reiter reiter3
tatsächlich noch vor ihrem Bewusstsein.
Großmutter starrte den Offizier von Mirwell an, den die Leute des Hauptmanns wie einen Sandsack auf die Zeltplattform vor ihr fallen ließen, bevor sie wieder in die Nacht marschierten. Die Frau hatte eine scheußliche Beule am Kopf und war – zum Glück für sie selbst – vollkommen bewusstlos. Hauptmann Immerez schien sehr zufrieden mit sich sein, mehr noch als eine Katze, die eine fette Maus gefangen hat.
»Das ist also der Spion, von dem Ihr mir erzählt habt«, sagte Großmutter.
»Ja«, erwiderte er. »Sie war Lord Mirwells liebste Adjutantin. Sie heißt Beryl Spencer.«
Sie hörte die Ablehnung in seiner Stimme. »Sie meinen den alten Lord Mirwell.«
Er wurde ärgerlich. »Den einzigen Lord Mirwell. Sein Sohn ist nutzlos. Sein Vater hat bei diesem Welpen getan, was er konnte, aber es ist alles umsonst.«
Großmutter versetzte Hauptmann Immerez einen Seitenblick, denn sie hörte aus seinen Worten viel mehr heraus, als er laut sagte, wie immer, wenn sie über den derzeitigen Lord Mirwell sprachen. Es störte ihn nicht nur, dass der »Welpe« jetzt auf dem Thron des Statthalters in Mirwellton saß; der junge Mann repräsentierte für Immerez auch alles, was ihm selbst nicht gelungen war. Er hatte gehofft, wegen der guten Meinung, die der alte Lordstatthalter von ihm gehabt hatte,
eine mächtige Position in der Provinz einnehmen zu können, aber nun war Tomastin Mirwell tot, und Hauptmann Immerez’ Aussichten waren offenbar mit ihm gestorben. Seine Bitterkeit hatte in den zwei Jahren im Versteck begonnen zu schwären. Es war zumindest teilweise diese Bitterkeit, die ihn für ihre Zwecke so beeinflussbar machte. Sie lieferte ihm einen neuen Ansatzpunkt für seinen Ehrgeiz.
Zu Hauptmann Immerez’ Beschwerden gehörte auch, dass der derzeitige Lordstatthalter sich nicht dazu herabgelassen hatte, in die Fußstapfen seines intriganten Vaters zu treten, sich nicht gegen den König gestellt und blutige kleine Kriege angezettelt hatte, so dass die Provinz zumindest den Ruhm eines Kampfs erlebte. Stattdessen versuchte er, seinen Landstrich zum Wohlstand zu führen, indem er sich auf den Ackerbau und die Industrie konzentrierte statt aufs Militär. Sie konnte es dem jungen Mann nicht übel nehmen, wenn er lieber seiner Provinz dienen wollte als sich selbst, aber es machte ihn für die Sache des Zweiten Reiches nicht vertrauenswürdig.
»Wir brauchen diese Hügel, um uns zu verstecken«, sagte Großmutter, »und die Mitarbeit des jungen Lord Mirwell gestattet uns das.«
Ein hässlicher, höhnischer Gesichtsausdruck trat auf die Züge des Hauptmanns. »Ohne Birch würde er uns beim König verpetzen. Und ich bin sicher, Eure kleine Demonstration hat ebenfalls geholfen, ihn die Ruhe wahren zu lassen. «
Oberst Birch war einer der Ihren, einer vom wahren Blut des Zweiten Reiches, und einer, der seine eigenen Anhänger in der Miliz kommandierte. Vor einiger Zeit hatte er Timas Mirwell zum Falkenhügel gebracht, um die Großmutter kennenzulernen und eine Demonstration ihrer Macht an einem
unseligen Bettler zu geben, den die Männer des Hauptmanns auf den Straßen von Mirwellton aufgelesen hatten.
»Der Welpe konnte nicht mal sein Essen bei sich behalten. « Hauptmann Immerez’ Lachen klang wie rostiges Eisen.
Die Demonstration war wirkungsvoll gewesen, aber Großmutter wollte Timas Mirwell nicht ausschließlich mit Drohungen für sich gewinnen. Sie hatte ihn an die historischen Bündnisse zwischen seinem Clan und Mornhavon dem Großen während des Langen Krieges erinnerte. Wenn er mit ihr zusammenarbeitete, würde sie ihn belohnen. Sie würde ihm König Zacharias’ Verlobte geben, die anscheinend alle Männer begehrten, wenn er das wollte, oder noch besser, eine wichtige Rolle im Zweiten Reich, wenn es Sacoridien erst erobert hatte.
Wie auch immer, Birch sorgte dafür, dass Timas Mirwell tat, was sie wollte, und sie mischte sich dafür nicht in die Alltagsangelegenheiten der Provinz ein. Reisende wurden von den Hügeln ferngehalten mit Gerüchten über Gesetzlose, die die Achtlosen überfielen. Diese Gerüchte waren nicht ganz unbegründet; der Hauptmann und seine Männer mussten sich schließlich irgendwie versorgen. Für Großmutter war das alles sehr zufriedenstellend.
»Und Ihr habt diese Frau beim Lauschen erwischt?«, fragte Großmutter. Sie stieß mit der Fußspitze gegen den schlaffen Körper.
»Ja.«
»Warum habt Ihr sie nicht umgebracht?«
»Der König
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