Der schwarze Thron - Reiter reiter3
diese Übersetzung verschaffen kann. Es könnte allerdings eine Weile dauern.« Ohne ein weiteres Wort drehte er sich auf dem Absatz um und verließ das Zelt.
»Aber lasst Euch nicht zu viel Zeit«, rief sie hinter ihm her.
Er war ein kluger Mann, und sie verließ sich auf ihn. Er würde eine Möglichkeit für sie finden, die Anweisungen zu übersetzen. Im Augenblick würde sie nicht mehr daran denken. Sie blickte auf die Spionin herab, die hilflos und verwundet vor ihr lag. Sie könnte an ihr Feuer zurückkehren und weiter an dem Beutel arbeiten, den sie heute Abend leicht fertig bekommen könnte. Oder diese Schühchen für Amalas Kind stricken, das in ein paar Wochen zur Welt kommen würde. Aber wenn sie es sich genauer überlegte, hatte das, was sie am meisten faszinierte, mit ihrer Gefangenen und mit Goldketten zu tun.
Als sie bemerkte, dass jemand sie beobachtete, warf sie einen Blick zur Zeltklappe und sah das Funkeln eines Augenpaars.
»Komm her, Mädchen«, sagte sie zu ihrer Enkelin. »Du kannst mir helfen, etwas herauszufinden.«
Lala trat ins Zelt, schaute hinab auf die Spionin, dann blickte sie zu ihrer Großmutter auf. Ja, sie würden es zusammen herausfinden.
FERGALS ERKLÄRUNG
In den nächsten Tagen kehrte Karigans Kraft zurück. Sie saß in ihrem Zimmer und schrieb unzählige Versionen eines zornigen Briefs an ihren Vater, die sie dann zusammenknäulte und ins Feuer warf. Es gab einfach keine Möglichkeit, seine »Verbindung« zum Goldenen Ruder in einem Brief anzusprechen, die sie nicht unerträglich klingen ließ, besonders wenn man das Thema bedachte. Nein, sie würde es mit ihm persönlich bereden müssen. Sie fühlte sich ernsthaft versucht, den Grandgent hinunter nach Korsa zu fahren, während Fergal sich weiter erholte, aber sie wagte nicht, ihn zu lange unbeaufsichtigt in den Händen der Damen vom Goldenen Ruder zu lassen.
Außerdem war sie im Auftrag des Königs unterwegs, und sie konnte sich den Zeitverlust nicht leisten, den ein Umweg über Korsa kosten würde. Sie seufzte, knüllte ihre letzte Version des Briefs zusammen und warf sie in die Flammen. Sie würde ihren Vater ein anderes Mal treffen oder eine andere Möglichkeit finden müssen, den Brief zu schreiben, wenn sie weniger wütend war.
Alle schienen ihren Zorn zu spüren und gingen ihr aus dem Weg, obwohl es nicht wirklich Silva und die Bewohner des Bordells waren, die sie ärgerten. Und so wütend sie über ihren Vater sein mochte, der größte Teil ihres Zorns war inzwischen
gegen sich selbst gerichtet, weil sie so furchtbar naiv gewesen war.
Ihr Vater hatte Kariny geliebt. Sie wusste das ebenso mit ihrem Verstand wie mit dem Herzen, aber sie war dumm gewesen anzunehmen, dass diese Liebe die Macht hatte, sie in der Zeit erstarren zu lassen, zu glauben, dass Erinnerungen ihm genügten, dass sie alles Bedürfnis nach Zärtlichkeit und körperlicher Befriedigung ersticken würde, selbst nach so vielen Jahren.
Wie dumm war sie gewesen zu erwarten, dass ihr Vater ein so asketisches Leben führte?
Aber warum, fragte sie sich, musste er sich Zuneigung kaufen? Warum besudelte er sich auf solche Weise? Warum respektierte er das, was er mit ihrer Mutter gehabt hatte, so wenig?
Karigan war nicht sicher, ob sie das wirklich verstehen konnte. Sie wusste nur, dass sie ihren Vater nie wieder auf die gleiche Weise betrachten könnte wie früher und dass er ihr gezeigt hatte, dass ihre eigenen Ideale von Liebe kaum mehr waren als kindische Fantasien.
Die Schläge der Stadtglocke rissen sie aus ihren Überlegungen. Es war Zeit für den Vormittagstee, und Rona sorgte dafür, dass Karigan und Fergal ihn jeden Tag zu sich nahmen. Karigan verließ das Zimmer und ging den Flur entlang, der vollkommen leer war – nicht überraschend bei der nächtlichen Tätigkeit der Frauen, die hier wohnten. Drunten stellte sie fest, dass auch das Wohnzimmer leer war, obwohl eine Teekanne, Brote, Kuchen und Rosinenbrötchen sie erwarteten. Sie ließ sich auf einem üppig gepolsterten roten Samtsessel mit einem kunstvollen Kirschholzrahmen nieder. Schwere Vorhänge waren von den Fenstern zurückgebunden, und man konnte das trübe Herbstlicht auf der Straße draußen sehen. In der Feuerstelle knisterte ein Feuer.
Alles hier im Wohnzimmer war von sehr guter Qualität, vom dicken Teppich bis zum Teeservice. Karigan konnte sich nicht zurückhalten, betrachtete das Herstellersiegel unter einer Tasse und stellte fest, dass sie von Barden stammte, einer der
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