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Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Titel: Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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sie sich immer wieder an, als würden sie den anderen neu entdecken. Mit den Fingern kämmte er sein Rabenhaar, bevor er es geschickt mit einem Silberband im Nacken bändigte. Caitlín verzichtete auf ihren Otternpelzumhang, da es ein warmer Tag war, und folgte Njal eine schmale Stiege hinunter ins Freie und in den Stall.
    »Bis zur Esche ist es zwar nur ein Katzensprung, aber Njördr will bewegt werden. Außerdem gefällt mir der Gedanke, gemeinsam mit dir zu reiten.«
    Er half ihr auf den Hengst, schwang sich hinter sie, und das Pferd verfiel in einen leichten Trab. Das Tor stand offen; ungehindert konnten sie hinausreiten, sodass Caitlín stolz und voller Freude die Arme in den Himmel recken wollte. Im Galopp flogen sie über grüne Wiesen, auf denen gelber Stechginster blühte und Hummeln kreisten. Nichts mehr erinnerte an den gestrigen Tag. Doch als die Esche, der Yggdrasil, in Sichtweite kam, war das berauschende Gefühl des Frischen und Neuen mit einem Mal verflogen.
    Auf einer hölzernen Bahre, verborgen unter bestickten Decken, lag Thorirs Leichnam. Ihm zugewandt saß Álfdis auf einem Schemel und hielt die Hände auf dem Schoß verschränkt. Ihre in Weiß gehüllte starre Gestalt wirkte wie ein fremdartiges Elfenwesen oder wie die Unterweltsgöttin Hel. Sie rührte sich selbst dann nicht, als Njal nur wenige Schritt entfernt das Pferd zügelte und absaß. Unverwandt starrte sie über ihren toten Sohn hinweg in weite Fernen, in denen ihr kein Mensch zu folgen vermochte.
    Caitlín war es unangenehm, Njal zu folgen. Mit jedem Schritt, mit dem sie sich Álfdis näherte, meinte sie, der Winter kehre zurück.
    »Ich habe mich schon gefragt, wann du hier auftauchen würdest«, sagte Álfdis. Noch immer blickte sie ihn nicht an. »Allerdings glaube ich nicht, dass du Abschied von deinem Bruder nehmen willst.«
    »Ich habe bereits Abschied von ihm genommen.«
    »Dann geh wieder. Oder willst du dich an meiner Trauer ergötzen?«
    »Trauer?«, fragte er zweifelnd, und Caitlín wunderte sich, worauf Njal aus war. Auf einen letzten Kampf, der mit Worten gefochten wurde? In einem solchen Kampf würde sich Álfdis nicht besiegen lassen.
    »Ich sitze hier, um meinen Sohn vor dir zu schützen. Und ich werde so lange bei ihm ausharren, bis er auf einem brennenden Schiff bestattet wird, das aufs Meer hinausfährt, wie es einem guten und mächtigen Krieger ansteht, der im Kampf gefallen ist.«
    Im Kampf gefallen?
    Njal öffnete den Mund; anscheinend wunderte er sich ebenso wie Caitlín über diese Bemerkung, doch sie war froh, dass er schwieg.
    »Er wird mit all seiner Beute bestattet werden«, fügte Álfdis hinzu. Ihre Stimme war eisiger als der Tod.
    »Álfdis«, begann Njal und atmete noch ein Mal tief durch, »Thorir hat mir etwas verraten, bevor er starb.«
    »Halt den Mund, denn ich werde nichts von dem glauben, was du sagst.«
    Njal ließ sich nicht beirren. »Ich warf ihm vor, er habe unseren Vater vergiften wollen. Aber er stritt es ab. Er sagte, er habe ihm die Arzneien aus Byzanz besorgt, um ihn zu heilen. Willst du mir also tatsächlich sagen, seine Worte waren gelogen?«
    Sie schwieg.
    »Als wir Kinder waren, hatte noch nicht dieser Hass und dieser Kampf um den Vorrang zwischen uns gestanden. Nicht als junge Männer, die gemeinsam ihre Kampfesübungen gemacht und mit dem Vater aufs Meer gesegelt waren. Doch ich hatte die Entfremdung längst zwischen uns gespürt. Die Veränderung lag an dir. An deinen Worten, die so verleumderisch wie die des Gottes Loki waren, die so vergiftet waren wie die des Drachen Nidhöggr an den Füßen Yggdrasils!« Njal war laut geworden; er stapfte an die Seite der Bahre, sodass Álfdis ihn sehen musste, und wies auf den Fuß der mächtigen Esche. »Nicht Thorir hat meinen Vater töten wollen, sondern du!«
    Würde Álfdis weiterhin schweigen und geradeaus starren? Wahrscheinlich könnte Njal ihr ein Schwert an die Kehle halten, und sie würde ihn nicht einmal ansehen.
    Tatsächlich hob sie den Kopf und blickte Caitlín an, der vor Schreck die Kälte in die Glieder fuhr.
    »Man soll halt keine Sklaven mit so wichtigen Dingen beauftragen. Sie sind allesamt falsch und denken an nichts anderes, wie sie ihren Herren schaden können. Ich hätte es wissen müssen, doch auch eine alte Frau wie ich lernt nie aus. Irgendwann dämmerte es mir, dass du den Trank anders als ich zubereitest, aber da war es bereits zu spät.«
    »Warum …«, flüsterte Caitlín. »Warum habt Ihr mich dann

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