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Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Titel: Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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fasste sie im Vorbeigehen an der Schulter. Gleich würde er sie wieder zu Boden reißen und sich auf sie werfen. Und dieses Mal wäre Njal nicht mehr fähig, ihr beizustehen. Sie öffnete den Mund, um zu schreien.
    »Fang bloß nicht an zu heulen«, schnauzte Thorir sie an. »Ich werde dir nichts tun!« Er hob seine Hände, wie um ihr zu zeigen, dass er unbewaffnet war. »Seit drei Tagen liegt mein Bruder nun schon im Stall. Ich will nur wissen, wie es ihm geht.«
    »Warum – warum seht Ihr nicht selbst nach?«, fragte sie. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme zitterte.
    »Ich soll zu den Schweinen gehen? Und zu der seltsamen Nonne?« Er rümpfte die Nase. »Nun rede schon!«
    Wieder packte er sie an der Schulter und schüttelte sie. Tränen traten in ihre Augen. »Es steht schlecht um ihn«, wimmerte sie. »Er hat Fieber, und der Schüttelfrost will kein Ende nehmen. Ich habe Angst, dass er stirbt.«
    »Stirbt? Das glaube ich nicht.« Doch in Thorirs Augen lag ein freudiges Funkeln.
    »Edana meint das auch.«
    »Hm. Wie steht es mit seinem Rücken?«
    »Er ist brandig«, murmelte sie. »Euer Bruder bräuchte dringend einen richtigen Medicus.«
    »Einen was?«
    »Einen Heiler. Hier gibt es doch einen Heiler?«
    Thorirs Hand beschrieb eine verächtliche Geste. »Unser Heiler hockt von morgens bis abends im Farbauti . Wir sind hier in den Nordlanden, Rothaar. Wer nicht stark genug ist, um eigenständig zu überleben, der stirbt. So ist der Gang des Lebens hier. Schau mich nicht so entsetzt an. Du glaubst an den angenagelten Gott, vor dem man kniet und wimmert, wir aber vertrauen auf die unerbittlichen Nornen, die an den Wurzeln Yggdrasils sitzen und den Lebensfaden jedes Einzelnen von uns spinnen. Es liegt an ihnen.« Er ließ sie los und stapfte fort. »Nicht an mir, nicht an mir«, hörte sie ihn fortwährend in seinen Bart murmeln, bis er außer Sicht war.
    Sie schüttelte sich, als hätte ein Wahnsinniger sie berührt. Dann eilte sie, die Stalltür zu öffnen. Mutter Laurentia lag unter einer Decke und rührte sich nicht. Njal hingegen hockte aufrecht auf seinem Strohlager und hob den Kopf, als Caitlín durch die Tür trat. Sie ging vor ihm in die Knie und ließ sich von ihm umfangen. Behutsam erwiderte sie die Umarmung, um seine Wunden nicht zu berühren. Er trug ein sauberes Hemd, das locker auf den Schultern saß, und ordentliche Beinkleider, die sie ihm am Vorabend gebracht hatte. Er machte ganz den Anschein, als könne er jederzeit hinauslaufen und seinen Bruder zum Kampf fordern, doch sie wusste nur zu gut, dass er längst noch nicht so weit war.
    »Thorir glaubt, du lägest krank und würdest fiebern«, sagte sie.
    Seine Mundwinkel zuckten spöttisch. »Die Götter meinen es so gut mit mir, dass sie mir vielleicht eines Tages meine Vergeltung gönnen. Aber jetzt habe ich erst einmal Hunger …«
    Sie nahm an seiner Seite Platz und stellte sich den Korb auf den Schoß. Gierig griff er nach Brot und Fleisch. Sie freute sein Hunger; er war ein gutes Zeichen.
    »Es ist wirklich erstaunlich, wie gut die Wundheilung voranschreitet«, sagte er und nickte in Richtung der Äbtissin. »Und ich dachte, Nonnen könnten nur Hühnerdreck und schimmliges Brot zusammenrühren und die Paste einem dann in die Wunden schmieren. Doch seltsamerweise kann man mit ihrer Pflege sogar in einem Schweinestall genesen.«
    »Werde bitte schnell gesund.« Vorsichtig lehnte sie sich an seine Schulter und genoss das Gefühl, als seine Finger durch ihre Locken fuhren. Sehr schnell … Ich kann es nicht ertragen, dich krank oder geschwächt zu sehen.
    »Allerdings wäre mir wohler, wenn du Eir, der Göttin der Heilkunst, ein Tieropfer darbringen könntest. Zum Beispiel eines dieser hübschen Ferkel hier …«
    Entrüstet stieß ihm Caitlín den Ellbogen in die Seite.

19.
    E s war nicht allein die Sorge um Njal, die Caitlín keine Ruhe finden ließ. Sie sorgte sich auch um den Hersen. Seit Thorirs merkwürdigem Auftauchen vor dem Stall ließ sie der Gedanke nicht mehr los, dass er nicht nur den Tod des Bruders, sondern auch den des Vaters beabsichtigte. Aber war das nicht eine Ungeheuerlichkeit, selbst unter den barbarischen Nordländern? Ein Sohn wollte seinen Vater schleichend vergiften? Sollte sie das wirklich glauben? Und selbst wenn sie es tat – wer würde ihr Glauben schenken?
    Njal, natürlich. Doch ausgerechnet ihm durfte sie nichts von ihrer Vermutung erzählen.
    Er würde Thorir an die Kehle gehen, und dann lägen beide

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