Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
seiner Stiefmutter beistehen wollte. Da hat er den Vater vor aller Augen zum Holmgang gefordert und ihm das Schwert in die Brust gestoßen.«
Caitlín riss die Augen auf. »Und die Frau? Was geschah mit ihr? Musste sie wirklich die Frau des Sohnes werden?«
»Wenn ich mich recht entsinne, hat sie ihn kurze Zeit später im Bett erstochen.« Er lachte. Doch mit einem Mal erschlafften seine Arme, und sein Kopf fiel auf die Brust.
»Herr Eirik?«
Er stieß einen langen Seufzer aus. »Es ist bitter, mit ansehen zu müssen, dass der eine Sohn sich den anderen zum Sklaven macht und quält. Doch Thorir hat Ehre im Leib, ja, die hat er! Er kann nur nicht verkraften, dass er als Zweitgeborener nicht mein Erbe sein kann. Njal wäre zudem ein so viel besserer Herse … Aber mittlerweile bin ich so weit, dass meinetwegen Thorir mein Nachfolger werden soll. Ich habe noch einen Traum, weißt du, Rothaar? Noch ein einziges Mal möchte ich mit Njal auf Wikingfahrt gehen. Wie früher, als ich ihn, den Halbwüchsigen, mitnahm, damit er von mir den Kampf und die Seefahrt lernt.«
Hat er denn noch immer nicht begriffen, wie es um seine Gesundheit steht? , fragte sie sich. Und dass sein versklavter Sohn ganz sicher auf keine Reise mehr gehen kann?
Caitlín musste der Wahrheit ins Gesicht sehen: Eirik war nicht mehr fähig, die Situation richtig einzuschätzen. Also musste sie auch ihm gegenüber ihren Verdacht verschweigen.
Njal machte einige vorsichtige Schritte durch den Stall, am Schweinegatter entlang. Hin und zurück, wie er es oft tat, um wieder zu Kräften zu kommen. Den Oberkörper bewegte er dabei nur vorsichtig – die verkrusteten Striemen spannten noch immer schmerzhaft. Doch sein Zustand besserte sich zusehends. Das Wissen der Nonne um die Heilkräfte der Kräuter war wirklich erstaunlich. Jeder andere in diesem Stall, so ordentlich er auch war, wäre gestorben, da war er sich sicher. Anscheinend liebten ihn die Götter, und die Nornen dachten nicht daran, seinen Lebensfaden durchzuschneiden. Vielleicht aber lag seine Genesung auch an Caitlíns angenageltem Gott, zu dem sie ständig flehte. Immerhin war dieser mächtig genug, den König die alten Götter vergessen zu lassen.
Njal wusste, dass die Äbtissin keine Priesterin war. In ihrer christlichen Welt war sie so machtlos wie jede andere Frau. Trotzdem war sein Respekt für sie gewachsen – und mit ihm das Verständnis für Sifs Wunsch, für diesen Gott leben zu wollen.
Verstehen würde er diesen Entschluss allerdings nie. Seiner Meinung nach waren die Frauen geschaffen, um die Männer zu erfreuen – und sich von ihnen erfreuen zu lassen. Eine solche Schönheit, ein solcher Liebreiz wie der von Sif sollte einfach nicht brachliegen. Gut nur, dass nicht ihr all sein Sehnen und seine Begierde galten, sondern einem temperamentvollen irischen Lockenkopf.
Wie lange mochte es noch dauern, bis Caitlín sich wieder blicken ließ? Er brauchte ihren Heiltrank, und wenn es nur deshalb war, um ihn aus ihren zarten Händen entgegenzunehmen und ihr dabei tief in die Augen zu blicken …
Er seufzte auf. Die Gedanken an sie taten ihm gut. Sie allein schafften es, Thorir – wenn auch nur für kurze Zeit – aus seinem Kopf zu vertreiben.
Die Stalltür knarrte, und Caitlín huschte durch einen Spalt herein. Sorgfältig verschloss sie die Tür wieder. Im Zwielicht, das durch die Bretterritzen fiel, betrachtete er ihr gerötetes Gesicht, ihre herrlich grünen Augen, ihr Kupferhaar, ihre Sommersprossen. Mit ihrem Otternpelzumhang, den sie am Hals zusammenhielt, sah sie aus wie eine edle Frau. Jede Geste, ihre gesamte Haltung verriet, dass sie aus gutem Hause stammte. Es war eine Schande, dass Thorir sie versklavt hatte …
Nein. Fang jetzt nicht wieder an, an ihn zu denken .
»Komm her«, sagte er rau. »Ich brauche jemanden, der mich davon ablenkt, dass ich mich in diesem Stall zunehmend wie ein gefangener Wolf fühle.«
Sie war fast bei ihm, da packte er sie am Umhang und zog sie den letzten Schritt heran. Den Schmerz missachtend, als er den Arm um sie legte, neigte er sich vor und presste seinen Mund auf ihren. Caitlín keuchte auf. Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. Zuerst verkrampfte sie sich in seiner Umarmung, doch dann wurde ihr Leib biegsam, und ihre Lippen öffneten sich einladend. Er zwang sich, beherrschter und sanfter vorzugehen. Seine Zunge umspielte die ihre, drang behutsam tiefer, während er den Duft ihrer Haare tief einatmete. Sie rochen nach irischen
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