Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
tot in ihrem Blut.
Während Caitlín durch das Dorf schlenderte, Handwerkern und spielenden Kindern zusah, wälzte sie die Gedanken hin und her. Vor Haukrs Hütte blieb sie stehen. Der Schmied bearbeitete gerade eine glühende Schwertklinge. Seine Muskeln glänzten vom Schweiß, während sein Hammer unablässig auf die Klinge niedersauste, sodass die Funken flogen. Die Schweißbäche, die aus seinen Haaren rannen, waren schmutzig von all dem Ruß. An der Wand lehnten Sicheln und Forken und erinnerten daran, dass die Nordländer nicht nur raubten, sondern auch – wie überall auf der Welt – Bauern waren. Das Land ernährt nicht genug Leute , hatte Patrick ihr einmal erklärt, deshalb müssen sie immer wieder auf Fahrt gehen .
Seit langer Zeit sehnte sie sich wieder nach ihrem Zuhause. Ihre Eltern und ihre Brüder litten gewiss, weil die Tochter geraubt worden war und als vermisst galt.
»Ich will nach Hause«, sagte sie leise, während ihr die Tränen kamen. »Nach Lionee.«
»Ihr dürft die Hoffnung auf die Heimkehr niemals aufgeben, Herrin Caitlín.«
»Ach, Patrick! Willst du denn nie aufhören, mir nachzuschleichen?«
»Wie könnte ich das? Njal, der Euch als Einziger außer mir beschützen könnte, liegt doch noch darnieder.«
Sie hob überrascht eine Braue. Der Barde war sicherlich nicht in der Lage, sie vor Gefahren zu bewahren. Aber sein unerschütterlicher Eifer ließ sie lächeln.
»Was bedrückt Euch, dass Ihr gerade jetzt an Irland denkt, Caitlín?«
Er würde ihr gewiss glauben. Doch helfen konnte er ihr nicht.
»Verzeih, Patrick«, entschuldigte sie sich, »doch ich muss nach dem Hersen schauen. Du brauchst mir nicht zu folgen, im Haus wird mir schon nichts passieren.«
Sicher konnte sie natürlich nirgends sein, trotzdem folgte er ihr nicht, als sie in die Halle zurückkehrte. Einige der Frauen lächelten und nickten ihr höflich zu. Bisher hatte Caitlín mit ihnen nur wenige Worte gewechselt – die Frauen pflegten sich nur mit ihresgleichen und den eigenen Sklavinnen zu unterhalten. Aber sie war immerhin die Sklavin des Hersen, die ihm das Horn reichen durfte.
In der verlassenen Küche mischten ihre Hände den belebenden Trunk aus Melisse und Thymian fast ohne ihr Zutun. Niemand störte ihre Gedanken.
Thorir konnte selbst den Sohn einer Sklavin und des Hersen versklaven, ohne dass man ihn daran hinderte oder er seine Stellung verwirkte. Er konnte gegen ihn kämpfen, und schlüge er ihn wegen eines winzigen Vergehens tot, so würde niemand die Hand gegen ihn erheben.
Aber was würde geschehen, wenn sich ein Mann gegen den eigenen Vater erhob? Niemand, noch nicht einmal ein Thrymheimr, mochte er auch noch so barbarisch und geistlos sein, würde so etwas dulden.
Caitlín vermutete, dass Thorir in Kaupang oder auf seinen Wikingfahrten die gefährlichen Samen besorgte und hier behauptete, sie seien eine Arznei. In Wahrheit waren sie pures Gift, das beim Hersen hervorrief, was es eigentlich lindern sollte: Müdigkeit, Schwäche und … Tod.
War es so?
Es erschien ihr allzu ungeheuerlich.
Warum sollte Thorir das tun?
Weil der Vater den anderen Sohn, den Sklavensohn, ihm vorzog? Ihn stärker liebte?
Im Grunde genügte es ja, den Konkurrenten auf den Thronstuhl aus dem Weg zu schaffen. Doch so leicht ließ sich Njal nicht töten. Vielleicht war Eirik also der einfachere Weg … Ein Gedanke fügte sich nahtlos an den anderen, während Caitlín arbeitete. Njal hatte gesagt, Eirik sei bereits bei seiner Rückkehr geschwächt gewesen, als Thorir noch geglaubt hatte, sein Bruder sei tot. Schon damals hatte Thorir keine Zeit verlieren wollen, den Thronstuhl zu besteigen, und hatte begonnen, dem Vater das Gift zuzuschanzen. Vielleicht hatte er ja in seinem Herzen gezweifelt, Njal tatsächlich ermordet zu haben. Vielleicht hatte die Tatsache, Njal das Messer in den Rücken gestoßen zu haben, auch nur sämtliche Hemmungen fallen lassen …
War es so?
Sie entsann sich eines bedeutungsvollen Blicks zwischen Thorir und einer der Küchensklavinnen. War sie eine Mitwisserin? Eigentlich war er in der letzten Zeit auch recht häufig in der Nähe der Küche anzutreffen gewesen – sie dachte an den Tag zurück, als er ihr hier Gewalt angetan hatte …
Und dann seine Worte: Wenn ich Herse bin, segle ich nach Konstantinopel … Mit dem Schiff, das Njal ihm bauen sollte. Thorir verhielt sich, als wäre er vom baldigen Ableben des Hersen überzeugt.
Caitlín wurde übel. Ohne zu überlegen, nahm sie
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