Der schweigende Mund
und eine Tasche trug, die so vollgestopft war, daß sie zu platzen drohte.
Ich machte die Wagentür auf und schätzte den Abstand: jetzt ein schneller Spurt, sie im vollen Lauf mit der Schulter streifen, das Paket fällt hin, und sein Inhalt liegt auf dem Fußweg breit verstreut, lebhaftes Bedauern, ihr beim Einsammeln helfen, dann ihr anbieten, sie nach Hause zu fahren - das müßte doch eigentlich klappen!
Ich sah sie mir noch einmal genau an und kam zu dem Ergebnis, daß es nicht hinhauen würde.
Die Art, wie sie ging, brachte mich auf den Gedanken, daß sie nicht zur Straßenbahn wollte. Das Paket war zu groß und unförmig, die Art, wie sie es trug, die Art, wie sie ging, brachten meinen ersten Plan schnell zu Fall.
Ich rührte mich nicht von der Stelle.
Sie ging zu dem Parkplatz in der Nähe des Gebäudes.
Ich ließ es darauf ankommen und fuhr um den Häuserblock. Als ich dann die Stelle erreichte, von der aus ich die Ausfahrt vom Parkplatz gut übersehen konnte, drosselte ich den Motor ab und fuhr ganz langsam weiter.
Sie kam in einem Auto herausgefahren und schlug die Richtung nach Westen ein. Das war mein Glück, denn so konnte ich mich, ohne aufzufallen, im Kielwasser halten.
Ich folgte ihrem Wagen zu einer der Ausfallstraßen. Der Verkehr war ziemlich stark, aber dann bot mir ein großer Autobus die Gelegenheit zur Ausführung meines Planes. Ich wußte, daß der Bus gleich nach links biegen würde. Das Mädchen fuhr auf der mittleren Fahrspur, links neben dem Omnibus, und bemerkte zu spät, daß er nach links abbog, hupte entrüstet und schwenkte gleichfalls nach links. Ich schoß ganz links an ihr vorbei, so daß sie meinen Wagen bei ihrem Ausweichmanöver streifen mußte.
Da hörte ich ein Krachen, spürte einen heftigen Stoß und vernahm das Reißen von Blech, so als würde einer der Kotflügel losgerissen.
Ein paar Fahrgäste des an uns vorüberfahrenden Autobusses drückten ihre Nasen gegen die Rückfenster. Sonst nahm niemand von uns Notiz.
Ich gab dem Mädchen ein Zeichen, an den Straßenrand zu fahren, und fuhr vor ihren Wagen. Dabei konnte ich hören, wie der rechte Kotflügel am Hinterreifen kratzte. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte mir, daß das linke Vorderrad ihres Wagens schlingerte. Die Fahrzeuge hinter uns hupten laut vernehmbar, fuhren aber weiter. Mindestens ein Dutzend Zeugen mußten den Zusammenstoß gesehen haben, doch alle machten sich mit einer Geschwindigkeit aus dem Staube, als gelte es, ein Rennen zu gewinnen.
Nun stieg ich aus und ging zu dem Wagen des Mädchens zurück. Bevor sie irgend etwas sagen konnte, kam ich ihr zuvor und fuhr sie mächtig an: »Wußten Sie denn nicht, daß der Autobus nach links ausbiegen würde?«
»Sie denn?« gab sie zurück. »Sie flitzten an mir vorbei, ohne mir einen Zentimeter Platz zum Ausweichen zu lassen!«
»Sie hätten bremsen und den Bus vorbeilassen müssen.«
»Ich hätte bremsen müssen? Ich wurde doch vom Bus aus meiner Spur gedrängt«, verteidigte sie sich wütend.
Ich grinste sie an und sagte: »Betrachten wir die Sache einmal vom Standpunkt des Busfahrers. Wenn er jedesmal erst den ganzen übrigen Verkehr vorbeiließe, bevor er abbiegt, dann würde er die halbe Nacht für eine Strecke von sechs Häuserblocks brauchen.«
»Ich habe nicht den Eindrude, daß ich mich in Sie verlieben könnte«, meinte das Mädchen.
»Gut, besehen wir uns erst einmal den Schaden«, sagte ich lächelnd, »dann können wir immer noch herausfinden, wer sich in wen verliebt.«
Wie ich erwartet hatte, war der rechte hintere Kotflügel meines Wagens stark ramponiert. Ich hatte den gleichen Trick schon einmal angewandt, als ich unbedingt eine Bekanntschaft schließen mußte, die auf keine andere Weise zustande gekommen wäre. Es überrascht mich immer wieder, wenn ich feststelle, wie jeder Verdächtige, der wachsam genug ist, auch den sorgfältig ausgeklügelten Fallen aus dem Wege zu gehen, unweigerlich auf fingierte Autozusammenstöße hereinfällt.
Ich bog den Kotflügel vom Reifen zurück und sagte: »Scheint so, als wäre das der einzige Schaden, abgesehen von der Verschlußkappe.«
»Bei mir ist etwas am Vorderrad nicht in Ordnung«, sagte das Mädchen. »Es schlingert.«
Ich holte meinen Führerschein hervor.
»Ich heiße Ruth Otis«, sagte sie.
»Haben Sie Ihren Führerschein bei sich?«
Sie öffnete ihre Handtasche, faltete mit eisiger Miene ihren Führerschein auseinander und sagte: »Die Adresse stimmt nicht mehr. Ich
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