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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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wie sie ihr Haar trug, kürzer als andere, über der Stirn und an den Seiten festgesteckt mit kleinen Klammern, weil sie niemandem gefallen wollte, wie sie ihm später sagte, jedenfalls nicht wegen der Haare.

    In diesem Sommer, in dem es nicht regnete, seit Wochen nicht, sah er ihr dabei zu, wenn sie in ihren Bus stieg, wenn sie über den schmalen Gang zwischen den Sitzen lief, bis zu ihrem Platz, hinter schmutzigen Scheiben, und er schaute dem Bus nach, der sie wegbrachte, unter einem weißen Himmel, der alles einsperrte und zudeckte und von dem man sagte, er würde sich nicht öffnen, nicht in den nächsten Monaten. Unter diesem weißen Himmel, unter dem man auf Regen wartete, trug Kálmán Kisten, Werkzeuge und Schilder die Gleise hinab, die so heiß waren, daß man sich daran hätte verbrennen können, und diese fünf, vielleicht zehn, vielleicht zwölf Minuten jeden Tag, an dem er unsere Mutter sah, fügte er über Wochen zusammen, bis er ein Ganzes hatte, in dem nichts mehr fehlte, in dem sich immer das gleiche abspielte, der gleiche Sprung, der gleiche Schritt, der gleiche Gang unter dem gleichen weißen Himmel.

    An einem freien Sonntag ließ Kálmán sich überreden, sein Zimmer, das er mit zwei anderen teilte, zu verlassen. Das Zimmer war in einem Haus, in dem die Arbeiter der Bahn wohnten, weit hinter den Gleisen, mit kleinen Fenstern und Tüchern davor, wegen der Sonne. Kálmán verließ das Zimmer, um mit den anderen zu tun, was sie taten, wenn sie frei hatten, wenn der Tag ihnen gehörte: von Dorf zu Dorf ziehen, zu Fuß, mit den Rädern, mit dem Bus, im Schatten sitzen, erst auf einem der Plätze, unter Bäumen, später dann im Wirtshaus, in den Abend, in die Nacht hinein. Und dort, auf einem dieser Plätze, am Nachmittag, als die Sonne nachließ, sah er unsere Mutter, die neben einer Freundin über den einen großen Schatten spazierte, den die Bäume und die Kirchtürme warfen. Langsam ging sie, langsamer als sonst, auf ihn und seine Freunde zu, und einer der anderen grüßte sie, fing an, mit ihr zu reden, fragte nach der Mutter, nach der Kusine, nach der Arbeit, und Kálmán stand dabei, mit verschränkten Armen, ohne etwas zu sagen, auf diesem Platz, vor einer gelben Kirche, unter dem Weiß des Himmels, das jetzt, in diesen wenigen Minuten, näher gekommen war, um sie wie unter einer Glocke festzuhalten.

    Kálmán blieb still, weil sie nur mit den anderen sprach und nicht mit ihm und weil er zu sehen glaubte, daß sie auch nur mit den anderen sprechen wollte und nicht mit ihm. Nachts, nachdem er mit den anderen zurückgelaufen war, über die Straße, auf der kein Bus mehr fuhr und die jetzt so warm war, daß Kálmán die Schuhe auszog, um mit bloßen Füßen den Asphalt zu spüren, nachdem sie zurückgekommen waren auf ihr Zimmer, wo sie wegen der Hitze Fenster und Türen geöffnet hatten, nachdem Kálmán sich aufs Bett geworfen hatte, auf dem Rücken liegengeblieben war und zur Decke geschaut hatte, immer noch ohne zu reden, erst da fragte einer der anderen, was ist mit dir, was hast du, bekommt dir die Sonne nicht?

    Jetzt, da er ihren Namen kannte, da er sie schon ansprechen konnte, trafen sie sich und sahen sich, wie man sich trifft und sieht, wenn nichts mehr zufällig ist, wenn man nichts mehr an den Zufall abgibt, aus Angst, er könne die Dinge noch wenden. Sie sahen sich an den Sonntagen, wenn Kálmán mit den anderen das Zimmer verließ, um sich die Zeit zu vertreiben, jetzt nicht mehr ziellos, und wenn sie mit ihrer Freundin durch den Nachmittag spazierte, immer zur gleichen Zeit über die gleichen Schatten. An den Wochentagen nickte sie ihm zu, mit einer winzigen Bewegung, die für andere unsichtbar blieb, wenn sie aus ihrem Zug stieg, die Stufen hinabsprang und ihn entdeckte, zwischen anderen, hinter den Gleisen, am Bahnsteig, an der Glastür, am Portal, das sie hinausließ auf den Vorplatz, wo sie den Bus nahm. Manchmal schien es ihm, daß sie ihn in der Menge suchte und langsamer lief, daß sie zögerte und vorgab, etwas finden zu müssen, in ihrer Tasche, ihrer Jacke, damit er sie ansprechen könne, aber sobald er sich ihr näherte, ging sie schneller und verschwand.

    Nach Wochen, als sie sich wieder vor der Kirche gegenüberstanden, er redend, diesmal ohne Scheu, sie schweigsam, fiel von diesem weißen Himmel ein Tropfen auf ihr Gesicht, der erste Regen seit Wochen. Während die anderen sich versteckten, blieben sie stehen, in der Mitte des Platzes, breiteten die Arme aus,

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